Erst gurten – dann starten

Gurtmuffel leben gefährlich. Nicht nur, weil sie das eigene Leben leichtfertig aufs Spiel setzen, sondern auch, weil sie unter Umständen tief in die Tasche greifen müssen. Nämlich dann, wenn sie in einen Unfall verwickelt werden – egal, ob selbstverschuldet oder nicht. Offensichtlich trauen die meisten Autofahrer sich selbst oder ihrem Airbag mehr zu, als sie wirklich können, denn die Anschnallquote ist nach Auskunft der ARAG Rechtschutzversicherung seit Jahren rückläufig.

Insbesondere bei kürzeren Strecken innerhalb der Stadt werden die Gurte aus Bequemlichkeit weggelassen, frei nach dem Motto: ‚Was soll auf dem kurzen Stück und bei dem Schneckentempo schon passieren?‘ Was die Meisten jedoch vergessen: Ein Airbag wird bei einer Geschwindigkeit von unter 25 km/h gar nicht ausgelöst – hier soll der Gurt allein Schutz bieten. Und wer denkt, er kann einen Aufprall bei auch nur 10 km/h mit den Armen auffangen, irrt gewaltig. Beim plötzlichen Bremsen bei dieser Geschwindigkeit werden Energien frei, die das Zehnfache des Körpergewichtes betragen. So müsste ein 60 kg schwerer Mensch eine Kraft von 600 kg abstützen. Bei 50 km/h verdoppelt sich dieser Wert, das heißt, eine Kraft von 1.200 kg, also mehr als einer Tonne, müsste mit den Armen abgefangen werden, was schier unmöglich ist. Ein weiteres Argument von Anschnallgegnern ist die Verletzungsgefahr, die vom Gurt selbst ausgeht.

Nur knapp ein Prozent der Verletzungen, die angeschnallte Fahrer erleiden, sind auf den Gurt zurückzuführen. Andererseits überstehen angegurtete Fahrer jedoch häufig auch schwere Unfälle fast unbeschadet, bei denen sie ohne Gurt schlimme, gar lebens-gefährliche Verletzungen davongetragen hätten.

Die Rechtssprechung zum Thema Gurtpflicht fällt eindeutig aus. Ein einsichtiger und verantwortungsbewusster Fahrer muss angeschnallt fahren, sonst trägt er ein Mitverschulden, wenn er bei einem Verkehrsunfall, für den er ansonsten nichts kann, verletzt wurde. Die Folge: Nicht alle Krankenhauskosten werden erstattet und auch das Schmerzensgeld fällt geringer aus. Je nach Schwere des Unfalls wird der Schadenersatzanspruch gekürzt. Bei Durchschnittsfällen beträgt diese Kürzung 20 bis 25 Prozent (z.B. OLG München, ZfS 1983, S. 226), bei schweren Verletzungen 30 Prozent (OLG Karlsruhe, NZV 1990, S. 151).

Wer in einem Fahrzeug mitfährt, bei dem baubedingt die Gurte fehlen ¿ so bietet ein Sport-Coupé beispielsweise nur vier Personen die Möglichkeit, sich anzuschnallen ¿ muss bei einem Unfall damit rechnen, eine Mithaftung zu tragen. In einem konkreten Fall war eine Frau als Fünfte und damit unangeschnallte Insassin in einem Sport-Coupé bei einer Kollision aus dem Wagen geschleudert worden und verletzte sich schwer. Das richterliche Urteil war trotz der Verletzung hart: Da sie vom fehlenden Gurt wusste, sei die Mitfahrt auf eigene Gefahr erfolgt und damit eine Mithaftung von 20 Prozent fällig (OLG Karlsruhe, AZ: 10 U 55/99).

Schreibe einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.
* Pflichtfelder

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.