Mobilität für Pflegebedürftige

Unter bestimmten Umständen muss die gesetzliche Krankenversicherung für die Anschaffung eines schwenkbaren Autositzes zahlen. In zwei Fällen hatte sich die gesetzliche Krankenversicherung geweigert, schwerstpflegebedürftigen Versicherten Autositze zu finanzieren, die behinderten Personen die problemlose Beförderung vom Rollstuhl in den Pkw ermöglichen.

Im ersten Fall hatte die Kasse einer 17-jährigen Wachkoma-Patientin bereits einen elektrischen Schieberollstuhl bezahlt. Als die Eltern ein neues Auto anschafften, beantragten sie für ihre Tochter die Ausstattung des Wagens mit einem schwenkbaren Autositz, um die junge Frau vom Rollstuhl in den Pkw zu befördern, und dort zu fixieren. Dies hätte der Familie ermöglicht, die Tochter regelmäßig zur Klinik und zum Therapeuten zu fahren.

Mit der Begründung, der spezielle Autositz sei kein Hilfsmittel der Krankenversicherung, lehnte die Krankenkasse die Zahlung ab. Die Eltern zahlten zwar die nötigen ca. 9.000 Euro aus eigener Tasche, verklagten aber gleichzeitig die Krankenkasse auf Kostenerstattung. Das Landes-Sozialgericht Nordrhein-Westfalen folgte zunächst der Begründung der Kasse, da weder das Autofahren noch die Möglichkeit, dadurch Ärzte und Therapeuten aufzusuchen, zu den Grundbedürfnissen zählten. Der Sitz selbst diene auch nicht der Krankenbehandlung, so die Richter weiter. Darüber hinaus hätte die Versicherte professionelle Krankentransporteure in Begleitung eines Elternteils in Anspruch nehmen können.

Das Bundessozialgericht (BSG) entschied anders: Zwar handele es bei einem schwenkbaren Autositz nicht um ein Hilfsmittel zur Krankenbehandlung, sehr wohl aber um ein Mittel zum Behinderungs-Ausgleich bei einem Grundbedürfnis. Zudem seien die Vorschriften zu Krankentransporten nicht so zu verstehen, dass Mittel für den Transport von der Erstattung generell ausgeschlossen seien. Vielmehr sei dies nur der Fall, wenn eine andere Lösung zumutbar und mit geringeren Kosten verbunden sei. Die Richter stellten fest, dass ein professioneller Krankentransport schon nach einem Jahr die Kosten des strittigen Autositzes erreicht hätte. Die Krankenkasse der jungen Frau musste zahlen (BSG AZ: B 3 KR 19/03).

Die ARAG Versicherung weist auf einen zweiten Fall hin, bei dem die Krankenkasse die Kosten für einen schwenkbaren Autositz nicht übernehmen musste. Eine Frau, die an chronischer Polyarthritis litt und Leistungen der Pflegestufe III erhielt, beantragte bei ihrer gesetzlichen Krankenkasse die Zahlung eines schwenkbaren Beifahrersitzes. Auch hier verweigerte die Kasse die Zahlung mit der Begründung, Autofahren gehöre nicht zu den Grundbedürfnissen. Die Frau zahlte den Autositz selbst und verklagte ebenfalls sogleich die Krankenkasse auf Kostenerstattung.

Diesmal blieb die Klage ohne Erfolg, da die Richter des Bundessozialgerichtes die Meinung vertraten, das Bedürfnis nach Mobilität sei durch den zur Verfügung gestellten Rollstuhl mit Hilfsantrieb sichergestellt (BSG AZ: B 3 KR 15/04). Anders als im ersten Fall, sei nach der Rechtsprechung das bloße Bedürfnis nach mehr Mobilität, etwa um menschliche Kontakte zu pflegen, kein Grundbedürfnis, für das die gesetzliche Krankenkasse einzutreten hätte.

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