Kommentar der Saxo Bank zum G20-Treffen in Pittsburgh

Das G20-Treffen in dieser Woche findet im Vergleich zum letzten Treffen im April, bei dem die Marktbedingungen noch völlig andere waren, zu einem interessanten Zeitpunkt statt.
Damals waren die Aussichten für eine Erholung sehr schwach, sodass es bei dem Treffen vornehmlich darum zu gehen schien, weltweite Solidarität zu demonstrieren: Gigantische Stimulationsmaßnahmen galt es zu unterstützen, internationale Bemühungen zur Rettung schwächerer Nationen auszuweiten und die Aufsicht über die globalen Finanzmärkte ? in Form eines umgestalteten Finanzstabilitätsforums (der jetzt Financial Stability Board (FSB) heißt) ? zu verstärken. Dank der massiven fiskalischen Anreize und reichlich zur Verfügung gestellter Zentralbankliquidität ist es zwischenzeitlich gelungen, die Weltwirtschaft fürs Erste zu stabilisieren und sogar ein beachtliches Vertrauen in die Aussichten für einen nachhaltigen weltwirtschaftlichen Aufschwung einzuflößen. Auch wenn weltweit verschiedene Stimmungsbarometer zur ?aktuellen Lage? in negativem Terrain verharren, deuten eine Reihe von Indikatoren doch darauf hin, dass sich der gegenwärtige Aufschwung nach Meinung vieler in den kommenden Quartalen weiter festigen und verstärken wird.
Genau diese Erholung des Vertrauens und der Konjunkturindikatoren könnte nun dafür sorgen, dass auf dem bevorstehenden G20-Treffen in Pittsburgh kaum weitere konkrete Maßnahmen beschlossen werden. Da sich die gefühlte Krisensituation entspannt, schwindet auch der Antrieb für bedeutende Veränderungen. Stattdessen werden die verschiedenen Teilnehmer des G20-Gipfels reichlich Themen finden, über die es sich ihrer Meinung nach zu streiten lohnt ? jetzt, da sie sich solche Dissonanzen wieder erlauben können. Von den Themen, die zur Debatte stehen, wird am meisten die Bankenreform diskutiert: Während die Festlandeuropäer unter Federführung Frankreichs mit den bösen Bankern und ihren Boni hart ins Gericht gehen wollen, ist sich Großbritannien der Klugheit dieses Schritts nicht so sicher. Dies hängt damit zusammen, dass die Finanzdienstleistungsbranche auf der Insel in wirtschaftlicher Hinsicht traditionell eine große Bedeutung für die Stärke und den Einfluss des Landes hat. Die USA liegen mit ihrer Meinung irgendwo dazwischen und sind generell mehr an strengeren Regeln für die Kapitalreserven der Banken interessiert. Was die breite Front gegen weitere Stimulationsaktionen anbelangt, so dürfte es hierzu angesichts der scheinbar so positiven Wirtschaftsaussichten kaum mehr als ein Lippenbekenntnis geben.
Die G20-Teilnehmer werden aller Wahrscheinlichkeit nach versuchen, Entscheidungen über einen Großteil der sehr schwierigen und komplizierten Bankenreformvorschläge bestmöglich zu vermeiden und dies lieber dem FSB überlassen, und stattdessen dem FSB eine lange Liste strittiger Punkt zur ?weiteren Untersuchung? zu übergeben. Insgesamt dürfte es ? jetzt, da die Konjunktur auf Erholungskurs zu sein scheint ? viel Schulterklopfen und selbstgefälliges Eigenlob für die offensichtlich gelungene Überwindung der Krise geben. Außer ein paar mehr Regeln für den Bankensektor und seine Kapitalreserven ist daher kaum mit dem Beschluss größerer Inhalte zu rechnen. Längerfristig eingeschätzt halten wir das Vertrauen der Märkte in die Erholung für übertrieben ? mehr noch: dieses Vertrauen birgt eine erhöhte Gefahr der Enttäuschung, da ein Großteil der öffentlich finanzierten Wachstumsanreize zulasten des zukünftigen Wachstumspotenzials geht.
Bei anderen G20-Themen dürften die Debatten kontroverser ausfallen und daher möglicherweise geringere Fortschritte erzielt werden: Die Schwellenländer ? allen voran die BRIC-Staaten ? werden um mehr Einfluss beim Internationalen Währungsfonds (IWF) bemüht sein. Tatsächlich könnte ihnen ein begrenztes zusätzliches Mitspracherecht bei den Aktivitäten des IWF eingeräumt werden ? sozusagen als Anerkenntnis des neuen Gewichts in der Weltwirtschaft, das diese Länder repräsentieren. Allerdings dürfte der Umfang dieses Zugeständnisses hinter den Erwartungen der Schwellenländer zurückbleiben. Vielleicht werden bei dem Treffen im Namen des IWF auch ein oder zwei Hilfspakete für die schwächsten Volkswirtschaften der Welt geschnürt. Ein anderer Aspekt im Zusammenhang mit dem IWF hat sogar das Potenzial, die Märkte zu bewegen: Gemeint sind die Goldreserven des Internationalen Währungsfonds und der Umfang, bis zu dem dieses Gold zur Finanzierung zukünftiger IWF-Aktivitäten verkauft werden soll. Der Goldpreis ist zuletzt wieder über die Marke von 1000 Dollar je Feinunze gestiegen und gilt als Stimmungsbarometer für den Greenback, der im Gegenzug zur Goldpreishausse sehr schwach notiert. China hat angedeutet, eventuell am Kauf eines Teils des IWF-Goldes interessiert zu sein.
Der Klimawandel wird vermutlich ebenfalls auf der Agenda stehen. Da sich aber viele Schwellenländer strikt gegen Auflagen wehren, die ihrem Wirtschaftswachstum schaden könnten, dürfte sich in diesem Bereich kaum etwas bewegen. Wie schon bei den Vorgängertreffen sieht demnach die erdrückende Wahrscheinlichkeit so aus, dass der Markt die begrenzten Maßnahmen, die auch immer am Ende dieses Gipfels herauskommen werden, bereits mehr als eingepreist hat. (Pressemitteilung der Saxo Bank)

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