Gerichtsurteile: Senioren und Immobilien

Auch als Rentner fühlt sich heute kaum jemand so richtig alt. Dank medizinischer Fortschritte können Menschen häufig bis in die 80er oder sogar in die 90er hinein in ihrer eigenen Immobilie leben. Aber irgendwann setzen dann doch die Probleme ein:

Man kommt nicht mehr in die Duschwanne hinein, braucht jederzeit eine Gehhilfe, möchte größere Umbauten in der Wohnung vornehmen lassen. Nachbarn und Miteigentümer sind damit gelegentlich nicht einverstanden.

Wie viele Rechte räumen deutsche Zivilgerichte den Senioren im Alltag ein? Wie sieht es bei einem eventuell nötigen Wechsel in ein Altenheim aus? Diesen Fragen geht der aktuelle Infodienst Recht und Steuern der LBS am Beispiel einiger Urteile nach.

Im schlimmsten Falle, wenn die Gesundheit gar nicht mehr mitspielt, ist ein Umzug ins Altenwohnheim kaum zu vermeiden.

So war es bei einer Mittsiebzigerin aus dem Raum Köln, die sich dazu entschloss und − ohne Zuerkennung einer der drei Pflegestufen − ins Seniorenstift zog. Die Kosten, die ihr für Unterkunft und notwendige „unterschwellige“ Betreuung (man spricht von Pflegestufe 0) entstanden, wollte sie in ihrer Steuererklärung als außergewöhnliche Belastung geltend machen.

Der Fiskus verweigerte dies und betonte, erst ab Pflegestufe I könne man darauf Anspruch erheben. Doch der Bundesfinanzhof als höchste zuständige Gerichtsinstanz korrigierte das (Aktenzeichen III R 39/05).

Die steuerrechtliche Konstruktion der außergewöhnlichen Belastung sei nicht zwingend von einer bestimmten Pflegestufe abhängig.

Um fürs Alter gewappnet zu sein und eine bereits überschriebene Immobilie im Streitfalle nicht vorzeitig zu verlieren, lassen sich viele Menschen notariell ein lebenslanges unentgeltliches Wohnrecht zusichern.

So hatte es auch eine Frau getan, die mit ihrer Tochter zusammenlebte. Eines Tages musste diese Frau in die stationäre Pflege eines Altenheims wechseln, woraufhin die Eigentümerin der Wohnung ein Erlöschen des Wohnrechts feststellte und den Auszug der nunmehr alleine lebenden Tochter forderte.

Das Oberlandesgericht Schleswig (Aktenzeichen 3 U 116/06) stellte sich allerdings auf die Seite der Wohnrechtsinhaberin. Der Umzug ins Altenheim sei noch kein Grund, ihr die Immobilie bereits komplett wegzunehmen.

Davon könne man allenfalls dann sprechen, wenn es aus medizinischen Gründen ausgeschlossen scheine, dass sie jemals wieder zurückkehren werde.

Familiäre Bande werden in der Gesellschaft und in der Rechtsprechung als ein hohes Gut betrachtet. Deswegen gibt es im Mietrecht auch die Einrichtung der Eigenbedarfskündigung – zum Beispiel, wenn man Wohnraum für sich selbst oder engste Angehörige braucht.

Ein Mieter muss sogar dann weichen, wenn der Eigentümer Platz schaffen will für Pflegekräfte, die sich um seine im selben Haus lebenden Eltern kümmern.

Das stellte das Landgericht Koblenz (Aktenzeichen 6 T 102/07) fest. Die Unterbringung eines Pflegers in unmittelbarer Nähe von Betreuungsbedürftigen bringe in Notfällen erhebliche Vorteile, hieß es im Urteil. Allerdings müsse die Pflegebedürftigkeit nachgewiesen sein.

Eine große Hilfe für die Senioren können nachträglich eingebaute Treppenlifte sein, mit denen man von einem Stockwerk ins andere gelangt.

Das kommt deutlich billiger und ist technisch eher machbar als ein richtiger Aufzug. So sah es auch eine 95-jährige Hamburgerin, die im zweiten Stock eines Hauses lebte und unter schwerer Arthrose litt.

Das Bauamt und eine Mehrheit der Mitbewohner hatte nichts gegen einen Treppenlift einzuwenden. Eine Eigentümerin fürchtete um das Erscheinungsbild des repräsentativen Treppenhauses und zog vor das Landgericht Hamburg (Aktenzeichen 318 T 70/99).

Die Justiz wertete aber die Erleichterung für die behinderte Mitbewohnerin deutlich höher als die geringfügige Änderung des Treppenhauses.

Auch mit den Rollatoren, also den Gehhilfen, die viele ältere Menschen brauchen, sind die Zivilrichter relativ großzügig. Zum Beispiel dann, wenn es um den möglichst raschen Zugriff zu den technischen Hilfen geht.

Das Amtsgericht Hannover (Aktenzeichen 503 C 3987/05) musste entscheiden, ob ein älterer Herr seinen Rollator im Hausflur abstellen dürfe.

Die Antwort: ein klares „Ja“. Wenn der betagte Herr das Gerät nicht jedes Mal in seine Wohnung schleppen könne, dann müsse ihm das „Parken“ im Treppenhaus gestattet sein.

Selbst dann übrigens, wenn die vorgeschriebene Mindestbreite des Rettungsweges nicht eingehalten werden kann. Im Notfall sei es nämlich kein Problem, den Rollator schnell zu entfernen.

Manche Klagen muss man zwei Mal lesen, weil man beim ersten Mal gar nicht glauben will, was da steht. So hatten Besitzer eines Wohn- und Geschäftshauses gegen Störungen von einem in unmittelbarer Nähe gelegenen Pflegeheim geklagt.

Obwohl diese Einrichtung zuerst am Ort gewesen war, wurden nun zahlreiche Auflagen gefordert. Lieferwagen sollten tagsüber nicht mehr direkt an die Einrichtung heranfahren dürfen.

Außerdem fühlte man sich durch die Blicke aus dem Heim auf Garten und Haus in seiner Privatsphäre beeinträchtigt. Das Oberlandesgericht Karlsruhe (Aktenzeichen 14 U 43/06) wies diese vermeintlichen Ansprüche klar zurück – unter anderem mit dem Hinweis, pflegebedürftige Menschen dürften ein erhöhtes Maß an Toleranz von ihrer Umwelt erwarten.

Ältere Menschen sind als Hilfe im Alltag nicht nur auf Technik angewiesen, sondern zum Beispiel auf einen Blindenhund. Dieser ist von einem Eigentümer kaum zu verbieten, ganz im Gegensatz etwa zu einem Kampfhund, wie das Landgericht Karlsruhe (Aktenzeichen 5 S 121/01) urteilte.

Es bestehe ein „schützenswertes Interesse“ des Vermieters, keinen Pit Bull Terrier im Hause zu haben, hieß es, unter anderem deswegen, weil Wohnungen dann schwerer zu vermieten seien.

Ganz anders sehe es bei einem helfenden Tier aus: „Eine Hundehaltung kann dann zu genehmigen sein, wenn ein Mieter auf den Hund angewiesen ist, zum Beispiel bei der Haltung eines erforderlichen Blindenhundes.“

Zum Schluss noch einmal zum Thema Umzug ins Altenheim: Eine 67-jährige Frau in Nordrhein-Westfalen musste ihre Wohnung aus gesundheitlichen Gründen ziemlich rasch verlassen.

Der Vermieter beharrte auf Einhaltung der vollen Kündigungsfrist, scheiterte aber vor dem Landgericht Duisburg (Aktenzeichen 23 S 361/98).

Eine vorzeitige Entlassung aus dem Vertrag sei möglich, wenn − wie hier − wichtige Gründe vorlägen und wenn zudem ein gleichwertiger Mieter vorhanden bzw. die Wohnung ohnehin leicht an den Mann zu bringen sei.

Auch Letzteres müsse man hier bejahen, denn es handle sich um eine Sozialwohnung und die Warteliste für solche Objekte sei vor Ort entsprechend lang.

Pressemitteilung der LBS

Schreibe einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.
* Pflichtfelder

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.