Diabetes – Lebensqualität trotz chronischer Erkrankung

Expertenchat vom 28. November 2006 mit Dr. Peter E. H. Schwarz, Diabetologe am Universitätsklinikum Carl Gustav Carus in Dresden, Sprecher der Projektgruppe Prävention des Nationalen Aktionsforum Diabetes mellitus NAFDM, Geschäftsführer des TUMAINI-Instituts für Präventionsmanagement.

Etwa sechs Millionen Menschen sind von der Stoffwechselerkrankung Diabetes betroffen, die durch einen erhöhten Blutzuckerspiegel gekennzeichnet ist. Durch Regulation des Blutzuckers kann man mit einem Diabetes beschwerdefrei leben, bei einem schlecht eingestellten Blutzuckerspiegel ergeben sich jedoch zahlreiche Risiken. Die Möglichkeiten der Prävention, die Rolle der Blutzuckerkontrolle und was beim Umgang mit Insulin zu beachten ist, waren Thema dieses Expertenchats. 

Diagnose und Symptome 

Eine Diabeteserkrankung lässt sich anhand der Zuckerwerte im Blut diagnostizieren. Hierfür misst man den sogenannten HbA1-Wert, der angibt, wie viel Prozent des gesamten Hämoglobins im Blut »verzuckert« (glykosyliert) sind. Mit Hilfe dieses Wertes kann man auf die Blutzuckerhöhe der letzten sechs bis acht Wochen schließen.

Oft wird auch der HbA1c gemessen, eine Untergruppe des HbA1. Der HbA1c macht etwa drei Viertel des HbA1 aus und da sich dieses Verhältnis in der Regel nicht ändert, ist es in der Praxis nicht von Bedeutung, welcher Wert gemessen wird. Laut Dr. Schwarz handelt es sich um einen Diabetes, wenn der HbA1c über 6,2 liegt.

Hierbei unterscheidet man noch zwischen dem Typ 1 Diabetes, verursacht durch einen Mangel an Insulin durch Zerstörung der Insulin produzierenden Beta-Zellen (tritt meist bereits im Kindesalter ein) und dem Typ 2 Diabetes, verursacht durch eine zunehmende Unempfindlichkeit gegenüber Insulin. Eine weitere Form ist der LADA (Latent Autoimmune Diabetes in Adults), eine spät auftretende milde Form des Typ 1 Diabetes.

Zwei Chatteilnehmerinnen fragten, ob sie trotz ihres geringen Körpergewichts (ihr BMI betrug 17 und 18) an einem Typ 2 Diabetes erkrankt sein könnten, obwohl dieser doch meist mit Übergewicht einhergehe. Herr Dr. Schwarz antwortete darauf, dass man auch als schlanker Mensch Diabetes bekommen könne, hier sei dann aber in erster Linie ein Insulinmangel die Ursache.

Auch bei den beiden Teilnehmerinnen vermutete Dr. Schwarz einen Typ 1 Diabetes, selbst wenn in einem Fall keine Antikörper gegen die Beta-Zellen gefunden werden konnten, denn „in 40 % der Fälle finden wir auch keine Antikörper“, so Dr. Schwarz.

Auf die Frage, ob man Risikopersonen für den Typ 1 Diabetes eventuell durch ein Screening identifizieren könne, antwortete Dr. Schwarz, dass das bei diesem Typ sehr schwierig sei. „Es gibt sogenannte HLA-Typen (Gene) und die Familiengeschichte.

Ansonsten kommen eventuell Infektionen in Frage.“ Es gäbe auch ein Projekt, bei dem Neugeborene auf HLA-Typen gescreent werden, dies sei jedoch umstritten, äußerte Dr. Schwarz. Bei einem Typ 2 Diabetes sei ein Risikoscreening viel einfacher, da man auch viel mehr in der Vorsorge erreichen könne, so Dr. Schwarz.

Symptome, die bei einem Diabetes auftreten können, beschrieben Chatteilnehmer als Zittern, „Schwäche in den Beinen“ und kurzzeitige Sehschwäche. Diese Symptome werden bei Diabetikern meist durch eine Unterzuckerung ausgelöst.

Eine Teilnehmerin berichtete von großem Haarausfall bei ihrer Tochter, die an Diabetes leide. Dr. Schwarz erläuterte, dass Haarausfall nur eine äußerst seltene Nebenwirkung von Insulin sei, er würde daher erst mal bei den Insulinen bleiben und mit dem Hausarzt eventuell andere Ursachen abklären. 

Behandlung und Prävention 

Für den Typ 1 Diabetes ist eine lebenslange Behandlung mit Insulin unumgänglich. Bei dem Typ 2 reicht es unter Umständen aus, die Ess- und Lebensgewohnheiten umzustellen, um die Blutzuckerwerte wieder zu senken. Herr Dr. Schwarz nannte 5 Kernziele, die es zu erreichen gelte: 

 

  • Reduzierung des Gewichts um 5-7 %
  • Steigerung der körperlichen Aktivität auf 150 Minuten pro Woche
  • Steigerung des Anteils faserhaltiger Ballaststoffe in der Nahrungsaufnahme auf 15g je 1000 kcal
  • Reduktion des Fettanteils der Nahrung auf weniger als 30 %
  • Reduktion der gesättigten Fettsäuren der Nahrung auf unter 10 % 

 

Diese 5 Kernziele seien aber nicht nur bei der Behandlung eines Diabetes angebracht, sie dienen ebenso als allgemeine Präventionsmaßnahme (vor allem bei Risikopatienten).

Gelingt es, durch eine gesündere Lebensweise den HbA1c zu reduzieren, wobei ein HbA1c unter 6,5 das Ziel sei, muss sich der Körper erst wieder an die niedrigeren Zuckerwerte anpassen und reagiert unter Umständen mit Anzeichen einer Unterzuckerung.

Ein Chatteilnehmer klagte beispielsweise über leichtes Zittern, Schwäche in den Beinen und gelegentlich verschwommenes Sehen, seitdem er vor zwei Monaten durch Sport und eine gesündere Ernährung seinen HbA1c von 12,5 auf 6 reduziert habe.

Auf die Frage, ob Zimt oder Ayurveda den Blutzucker senken können, antwortete Dr. Schwarz, dass Ayurveda als Lebensstil grundsätzlich eine gesunde und gute Lebensweise sei, es aber an Erfahrungen mit ayurvedischen Medikamenten mangele. Zimt sehe er nicht als Diabetestherapie.

Ein wichtiger Schritt für die Behandlung von Diabetes wäre auch der noch in der Forschung befindliche Beta-Zellschutz durch Medikamente, so Dr. Schwarz. Im Moment sei dieser der Insulintherapie aber nicht überlegen. Auch die Forschung zu Insulinimplantaten sei noch nicht ausgereift: Es gäbe noch kein marktfähiges Produkt und die Leistung sei auch noch weit entfernt von Pumpen, die selbstständig die Messung des Blutzuckers durchführen. 

Hinweise zum Umgang mit Insulin 

Es wurden viele Fragen zur richtigen Dosierung von Insulin gestellt, denn viele Chatteilnehmer klagten trotz Insulintherapie über Probleme mit ihrem Blutzuckerspiegel. Eine Typ 1 Diabetikerin litt beispielsweise unter ständigen Unterzuckerungen nach dem Aufstehen und machte sich Gedanken über die mögliche Ursache (ob sie ihre Mahlzeiten vielleicht nicht korrekt einnehme oder ob sie neu eingestellt werden müsse).

Dr. Schwarz antwortete ihr, dass sich der Insulinbedarf ändern könne, wenn man körperlich sehr aktiv sei oder es zu einer hormonellen Änderung komme (wie zum Beispiel bei einer Schwangerschaft oder in den Wechseljahren). Auch Krankheit oder eine Veränderung des Lebensstils könnten zu einem veränderten Insulinbedarf führen. In einem solchen Fall sollte man mit seinem Arzt sprechen.

Eine andere Diabetikerin hingegen hatte mit anhaltend hohen Blutzuckerwerten zu kämpfen: Obwohl sie körperlich aktiv, schlank und ernährungsbewusst sei, läge der Hba1c immer über 8. Dr. Schwarz riet ihr, die Therapie mit Ihrem Arzt kritisch zu überdenken. Dies sei dringend notwendig, denn ein HbAc1 über 8 sei gefährlich. Sie müsse es unbedingt schaffen, den HbA1c auf unter 6,5 zu senken.

Ob man als Diabetiker auch dann Insulin spritzen dürfe, wenn man zum Beispiel durch Krankheit (wie bei einer Magen-Darm-Infektion) fast nichts gegessen habe, war eine weitere Frage. Dr. Schwarz antwortete darauf, dass man auch weniger Insulin brauche, wenn man weniger esse, da man dann auch weniger Zucker mit der Nahrung aufnehme. Er empfahl, sich an den aktuellen Zuckerwerten zu orientieren. 

Abschließend betonte Herr Dr. Schwarz nochmals die Notwendigkeit einer gemeinsamen verantwortungsvollen Therapie von Ärzten und Patienten, da der Diabetes mellitus heute zu einem gesellschaftlichen Problem geworden sei und sich gerade der Typ 2 wie eine Epidemie verbreite.

Pressemitteilung der BKK VDN

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