Sozialhilfeempfänger können ausnahmsweise den Ersatz doppelter Mietaufwendungen verlangen, wenn sie aus gesundheitlichen Gründen aus ihrer bisherigen Wohnung ausziehen müsen und die Mietzeiträume wegen der Kündigungsfrist deswegen nicht nahtlos aufeinander abgestimmt werden können.
Dies hat das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen (LSG NRW) in einem jetzt veröffentlichten Urteil entschieden. Der Sozialhilfeträger müsse die Unterkunftskosten für die alte Wohnung neben den Kosten für die neue Unterkunft übernehmen, wenn es notwendig gewesen sei, dass der Hilfeempfänger die neue Wohnung gerade zu diesem Zeitpunkt gemietet und bezogen habe. Der Empfänger müsse aber alles ihm Mögliche und Zumutbare getan haben, um die Aufwendungen für die frühere Wohnung – insbesondere durch die Suche nach einem Nachmieter – so gering wie möglich zu halten.
Mit ihrem Urteil gaben die Essener Richter einer seinerzeit 90-jährigen Frau aus Herzogenrath Recht. Die schwer- und gehbehinderte Frau hatte im 2. Stock eines Hauses ohne Aufzug gelebt, bis sie sich wegen Gebrechlichkeit und Dauerschmerzen in stationäre medizinische Behandlung begab. Nach einem dreiwöchigen Krankenhausaufenthalt und anschlieÃender einmonatiger stationärer Kurzzeitpflege stellte sich ein höherer Pflegebedarf der Klägerin sowie die Notwendigkeit vollstationärer Pflege heraus. Die Klägerin kündigte deshalb ihren Wohnungsmietvertrag und wurde in die vollstationäre Pflege aufgenommen. Die Kosten für die Pflege übernahm der Sozialhilfeträger, weigerte sich aber, auÃerdem noch die weiter anfallende Miete für die Wohnung der Klägerin bis zum Ablauf ihrer dreimonatigen Kündigungsfrist zu zahlen. Die Ãbernahme der Unterkunftskosten für die Wohnung sei nicht erforderlich, da die Klägerin im Pflegeheim untergebracht sei. Zudem hätte sie früher mit ihrer Vermieterin über eine Auflösung des Mietverhältnisses sprechen müssen.
Diese Rechtsansicht lieÃen die Essener Richter ebenso wie vor ihnen das Sozialgericht Aachen nicht gelten. Sie bestätigten das Urteil des Sozialgerichts, das den Sozialhilfeträger zur Zahlung der Miete für die Wohnung der Klägerin bis zum Ablauf der Kündigungsfrist verpflichtet hatte. Der Klägerin sei nicht zumutbar gewesen, ihre Wohnung früher zu kündigen. Bis zum Ablauf der stationären Kurzzeitpflege habe sie darauf hoffen dürfen, wieder in ihre alte Wohnung zurückkehren zu können. Da eine Neu-Vermietung innerhalb der Kündigungsfrist auch unter Einschaltung des Vermieters nicht möglich gewesen sei, habe sie ferner alles Zumutbare und Mögliche getan, um die Kosten der doppelten Unterkunft so gering wie möglich zu halten.
Das Urteil ist rechtskräftig.
(LSG NRW Urteil vom 18.2.2010, 9 SO 6/08, Vorinstanz SG Aachen †Urteil vom 19.12.2007 – 19 SO 31/07 SG Aachen)
Pressemitteilung des Justizministeriums des Landes Nordrhein-Westfalen