Seelische Krisen im Alltag – Hilfe und Bewältigung

Expertenchat vom 27. März 2007 mit Dr. Harald Krebs, Dipl.-Psych., Psychologischer Psychotherapeut, Mitarbeiter der Hochschulambulanz für Psychotherapie am Institut für Psychologie der Universität Würzburg.

Stimmungstiefs kommen und gehen. Doch was, wenn sie bleiben? Dann liegt oftmals eine psychische Krise vor. Sie kann Vorbote für Veränderungen im Leben sein, aber auch in eine psychische Erkrankung münden.

Psychischen Krisen haftet oft der Makel des Versagens an, weswegen es vielen Menschen schwer fällt, sich konstruktiv mit ihnen auseinanderzusetzen und bei Bedarf rechtzeitig Hilfe zu holen. Wie man psychische Krisen im Alltag erkennen, deuten und die richtigen Schlüsse aus ihnen ziehen kann, war Thema dieses Expertenchats. 

Seelische Krisen

Viele verschiedene Faktoren können im Alltag dazu führen, dass man in eine seelische Krise gerät: Oft sind es Schicksalsschläge, wie der Verlust eines geliebten Menschen. Manchmal kann aber auch eine Veränderung der Lebenssituation, beispielsweise ein Wohnortwechsel, der Auslöser für eine Krise sein.

Ein Chatteilnehmer erzählte, er leide unter Ängsten und Depressionen, seitdem er nach 33 Jahren von der Großstadt in die Kleinstadt zog. Herr Dr. Krebs vermutete, dass es sich dabei um eine Anpassungsreaktion handele. Sollten die Symptome länger andauern, könne eine Beratung durchaus hilfreich sein, empfahl er.

Andere Teilnehmer des Chats gerieten durch den Tod eines Elternteils oder des Ehe-/Lebenspartners in eine seelische Krise. Es könne sehr lange dauern, bis man einen solchen Verlust verarbeitet habe, so Herr Dr. Krebs.

„2 Jahre sind dafür keine lange Zeit“, antwortete er einer Frau, die auch zwei Jahre nach dem Tod ihrer Mutter immer noch unter seelischen Tiefs leide und fragte, ob sich das jemals „ganz bekämpfen lasse“. Bei der Verarbeitung könne eine psychologische Unterstützung in Form einer Beratung oder Therapie helfen, so der Experte. 

Auch sexuellen Missbrauch könne man verarbeiten, beantwortete Herr Dr. Krebs die entsprechende Frage einer Chatteilnehmerin. Ob es für die Bewältigung einer seelischen Krise nun besser sei, Trauer und Verzweiflung zuzulassen, oder ob man gewisse Dinge lieber verdrängen sollte, lasse sich nicht allgemein beantworten. In manchen Situationen könne es schützen, Dinge zu vergessen, so der Experte. 

Häufig treten seelische Krisen in Form von Depressionen auf. Diese äußern sich bei den Betroffenen durch ein Gefühl der Niedergeschlagenheit und Antriebslosigkeit. Es gelingt ihnen kaum, sich zu irgendetwas aufzuraffen, da sie keinen Sinn mehr darin sehen.

Viele Menschen hätten zeitweise Depressionen, ohne dass diese erkannt und behandelt würden, erklärte Herr Dr. Krebs. „Sie können auch „von selbst“ vorbei gehen“, so der Experte, „doch in jedem Fall ist es keine Bagatelle.“ Hilfe aufzusuchen sei die erste Option.  

Eine Chatteilnehmerin klagte über andauernden Schwindel, Taubheitsgefühl am ganzen Körper und Übelkeit. Sie fragte Herrn Dr. Krebs, ob dies von verdrängten Ängsten herrühren könne, obwohl sie sich im Moment psychisch eigentlich gut fühle.

Der Experte bejahte die Frage und ergänzte, dass es sich bei ihr um somatoforme Beschwerden handeln könne, das sind körperliche Beschwerden, die sich nicht oder nicht hinreichend auf eine organische Erkrankung zurückführen lassen. Sie solle aber auf jeden Fall medizinisch abklären lassen, ob die Ursache der Symptome nicht doch in einer physischen Erkrankung begründet liege, betonte Herr Dr. Krebs.

Eine andere Chatteilnehmerin erzählte, dass sie schon seit fünf Jahren unter regelmäßigen Schwindelanfällen leide und sich daher gar nicht mehr traue, alleine zuhause zu bleiben oder gar ohne Begleitung das Haus zu verlassen. Nach Meinung des Experten klinge dies nach einer Angstproblematik, bei der oft eine medikamentöse Therapie mit Antidepressiva helfe.

Den Zustand einer anderen Teilnehmerin beschrieb er mit dem Phänomen des „Symptomstress“: So nenne man es, wenn Menschen beispielsweise Angst davor haben, depressiv zu sein oder zu werden und sich dadurch „verrückt zu machen“, erklärte der Experte.

Um einer seelischen Krise entgegen zu wirken sei es gut, sich zu schonen, aber ohne sich zurückzuziehen. Man solle sich an kleinen Erfolgen freuen und sich von Rückschlägen nicht entmutigen lassen, riet Herr Dr. Krebs.

Behandlung und Therapie

Seelische Krisen, insbesondere Depressionen, können mit Medikamenten oder einer Psychotherapie behandelt werden. Oft wird auch eine Kombination aus beidem angewandt, wenn eines allein nicht ausreichend hilft. Manchmal schlagen die Medikamente einfach nicht bei den Betroffenen an.

In diesem Fall sollte mit dem Arzt besprochen werden, ob vielleicht eine Umstellung der Medikamente notwendig sei, riet Herr Dr. Krebs. Die Befürchtung, man könne durch diese Mittel süchtig werden, sei heute unbegründet, da die modernen Medikamente kein Abhängigkeitspotential besäßen, beruhigte er.

Wenn sowohl die Medikamente wie auch die Psychotherapie nicht den gewünschten Erfolg erzielen, kann eine stationäre Therapie helfen. „Manchmal braucht es eine intensive stationäre Therapie, die den Stein ins Rollen bringt“, so Herr Dr. Krebs.

Auch bei einer akuten Krise sei der Gang in eine Klinik sinnvoll, da es dort leichter sei, den Zustand zu stabilisieren. Die Kosten für einen Klinikaufenthalt (oder auch mehrere) werden von der Krankenkasse übernommen, wenn er notwendig ist.

Ein/e Chatteilnehmer/in, der/die gerne eine teilstationäre Therapie machen wollte, fragte Herrn Dr. Krebs, ob seine/ihre Therapeutin dies auch ablehnen könne. Der Experte riet ihm/ihr, offen darüber mit der Therapeutin zu sprechen.

„Ambulante Therapeuten sind nicht grundsätzlich gegen stationäre Therapien, ganz im Gegenteil“, erwiderte er. Um eine neue Therapie beantragen zu können, müssen in der Regel zwei Jahre seit der letzten Therapie vergangen sein.

Wenn sich allerdings die Beschwerden verschlechtern, könne eine Beantragung auch vorher erfolgen, so der Experte, sie werde dann allerdings strenger geprüft. „Beratungsstellen können auch eine Anlaufstelle sein“, empfahl er als Alternative.

Ein/e Chatteilnehmer/in fragte Herrn Dr. Krebs, wie sie die Zeit zwischen zwei Therapiestunden überbrücken könne, in der es ihm/ihr immer sehr schlecht gehe. Er/sie habe das Gefühl, nur noch für die Therapie zu leben und „warte immer sehnsüchtig auf den nächsten Termin“.

Der Experte empfahl ihm/ihr, Dinge zu tun, die ihm/ihr gut tun. In jedem Fall solle er/sie dies in der Therapie ansprechen. Er vermutete, dass bei dem/der Teilnehmer/in auch das Bedürfnis nach Kontakt- bzw. Bezugspersonen groß sei.

Auf die Frage, was man in einer schweren Krise tun kann, wenn man nicht mehr die Kraft zum Reden hat, antwortete Herr Dr. Krebs, dass eine Auszeit in einer Klinik (zum Beispiel in einer Krisenstation) eine Möglichkeit wäre. Ansonsten erhalte man bei Krisen auch zu jeder (Tages-) Zeit Hilfe bei den Krisendiensten oder der Telefonseelsorge, informierte der Experte.

Ein Chatteilnehmer, der vier Jahre unter schweren Depressionen litt, sprach davon, dass er sich wertlos fühle und immer noch häufig Suizidgedanken habe, obwohl es ihm inzwischen von den äußeren Umständen her eigentlich gut gehe. Er fragte Herrn Dr. Krebs, ob diese Gedanken irgendwann auch wieder verschwinden würden.

Der Experte antwortete, dass es keinen Grund gäbe, warum diese Gedanken bleiben sollten. Die Heilungschancen bei einer Depression wären prinzipiell gut, da sie behandelbar sei. Wie lange das allerdings dauern könne, sei nicht vorherzusagen. In seinem Fall scheine aber auch „der Selbstwert ein wichtiges Thema zu sein“, merkte Herr Dr. Krebs an.

Eine Mutter sorgte sich, ob ihr wegen ihrer psychischen Erkrankung das Sorgerecht entzogen werden könnte. Sie traue sich nicht, Hilfe in Anspruch zu nehmen, aus Angst, das Jugendamt würde ihr dann die Kinder wegnehmen. Herr Dr. Krebs empfahl ihr, sich am besten an eine sozialpädagogische Familienhilfe oder eine Erziehungsberatungsstelle zu wenden.

Er erinnerte aber auch an die Schweigepflicht des Psychotherapeuten, die auch gegenüber dem Jugendamt gelte. Nur in „Extremfällen“, wenn jemand beispielsweise ankündigt, sich oder andere zu gefährden, könne die Schweigepflicht aufgehoben werden. 

Abschließend ermutigte Herr Dr. Krebs die Teilnehmer des Chats, die noch nicht „den letzten Schritt unternommen“ und eine „persönliche“ Beratung in Anspruch genommen haben, dazu, dies zu tun. „Online kann man gerade den speziellen Fragen nicht 100 % gerecht werden – das ersetzt das andere nicht“, betonte er.

Pressemitteilung der BKK VDN

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