Wer auffährt, hat nicht immer die Hauptschuld

Bremst ein Autofahrer ohne zwingenden Grund stark ab und kann sein Hintermann wegen Unaufmerksamkeit oder wegen eines zu geringen Sicherheitsabstandes nicht rechtzeitig halten, so trifft in der Regel den Auffahrenden die Hauptschuld.

Anders sieht es aus, wenn der Vordermann bei einem Automatikfahrzeug die Pedale verwechselt und deshalb versehentlich bremst. So geht es aus einem Urteil des Kammergerichts (KG) Berlin hervor. Wie der Anwalt-Suchservice berichtet, hatte eine Autofahrerin 75 bis 100 Meter vor einer roten Ampel, an der mehrere Fahrzeuge warteten, eine Vollbremsung vollzogen.

Die Frau war mit ihrem Automatikfahrzeug noch nicht hinreichend vertraut und hatte- in der Vorstellung, eine Kupplung zu treten – irrtümlich die Bremse betätigt. Ein hinter ihr fahrender Pkw konnte nicht mehr rechtzeitig halten, und es kam zum Zusammenstoß.

Die Straßenverkehrsordnung (StVO) verbiete nach Ansicht der Richter zwar das abrupte Bremsen ohne zwingenden Grund. Sie verpflichte Autofahrer aber auch dazu, den Abstand zu Vorausfahrenden so zu wählen, dass sie notfalls noch halten könnten, wenn diese plötzlich bremsten. Treffe starkes, grundloses Bremsen mit einem unzureichenden Sicherheitsabstand bzw. mit Unaufmerksamkeit des Hintermannes zusammen, so die Richter, dann trage dieser an einem Zusammenstoß die Hauptschuld.

In der Regel müsse er dann für zwei Drittel des Schadens haften. Glimpflicher komme der Auffahrende aber dann davon, wenn er nicht mit einem plötzlichen, starken Abbremsen des Vordermannes rechnen muss, weil er den Verkehrsraum vor diesem überschauen konnte.

Im vorliegenden Fall, so das Gericht, habe der Mann zwar nicht mit einer Vollbremsung der Vorausfahrenden rechnen müssen, da sie noch 75 bis 100 Meter von der roten Ampel entfernt gewesen sei. Er hätte aber darauf gefasst sein müssen, dass die Frau ihr Tempo vor Erreichen der Ampel drosseln würde. Zu Lasten der Vorausfahrenden sei demgegenüber zu berücksichtigen, dass sie einen groben Fahrfehler begangen habe. Das Gericht entschied, dass beide Unfallbeteiligten je zur Hälfte für den Schaden aufkommen müssten.
(Az. 12 U 70/05)

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