Deutsche Bank: Deutsches BIP in Q1 um 0,2 Prozent gewachsen

Im Gegensatz zu den öffentlichen Finanzen sowie den Euro-Finanzmärkten befindet sich die deutsche Konjunktur derzeit voll im grünen Bereich. Das reale Bruttoinlandsprodukt hat in Q1 trotz der teilweise extremen Witterungsverhältnisse um 0,2% gegenüber dem Vorquartal zugelegt. Weiterhin wurde das Wachstum vor allem vom Export und den damit steigenden Ausrüstungsinvestitionen getrieben. Zum Wachstum trugen ebenfalls ein Lageraufbau und der staatliche Konsum bei, während der private Konsum und die Bauinvestitionen schrumpften. Damit übertraf die Wirtschaftsleistung erstmals wieder seit 5 Quartalen ihr Vorjahresniveau (1,7%).

Das Ergebnis für Q4 2009 wurde von 0 auf ebenfalls +0,2% nach oben revidiert. Damit hat die deutsche Wirtschaft das Winterhalbjahr besser als erwartet abgeschlossen. Die jüngsten Konjunkturindikatoren zeigen zudem, dass sie mit großem Schwung in Q2 gestartet ist.

Wichtige Indikatoren merklich verbessert

Nahezu alle wichtigen Konjunkturindikatoren haben sich in den letzten Monaten merklich verbessert. So sind im März die Auftragseingänge sowohl aus dem In- als auch aus dem Ausland um 5,4% bzw. 4,7% gegenüber dem Vormonat gestiegen und liegen damit um 25% bzw. 36% über ihren Tiefständen im Februar 2009. Entsprechend haben die Industrieproduktion um 4% und die Exporte um 10,7% zugelegt. Letztere lagen damit im März um mehr als 20% über ihrem Vorjahresniveau.

Dass das von uns erwartete starke Wachstum in Q2 nicht nur aus den hohen Wachstumsüberhängen resultiert, sondern die Dynamik auch in den Sommermonaten noch anhalten dürfte, lassen die Verbesserungen der Vertrauensindikatoren vermuten, auch wenn diese mit Blick auf die jüngste Euro-Krise mit Vorsicht interpretiert werden müssen. So ist der ifo-Geschäftsklimaindex im April um 3,4 Punkte auf 101,6 gestiegen und hat auch im Mai dieses Niveau gehalten. Erfreulich dabei war, dass sich auch die Einschätzung der aktuellen Situation merklich verbessert hat und über dem langfristigen Durchschnitt liegt.

Zwar hat der Index der Einkaufsmanager sowohl im verarbeitenden Sektor als auch im Dienstleistungsbereich im Mai wieder leicht nachgegeben. Er war allerdings zuvor überaus kräftig gestiegen und liegt insbesondere im verarbeitenden Sektor mit 58,3 deutlich über der Wachstumsschwelle von 50, was anhaltendes Wachstum signalisiert. Auch der GfK-Konsumklimaindex hielt sich zuletzt gut, während die Einzelhandelsumsätze schwach blieben, was allerdings wenig überraschte. Nach Auslaufen der Abwrackprämie ist der Pkw-Absatz eingebrochen und lag im April um gut 30% unter dem Vorjahresniveau und auch immer noch mehr als 10% unter den Vorkrisenniveaus.

Günstige Arbeitsmarktentwicklung

Erfreulich war in den vergangenen Monaten weiter die Arbeitsmarktentwicklung. Seit ihrem Höchststand Mitte 2009 hat die Zahl der Arbeitslosen um gut 250.000 abgenommen, die Arbeitslosenquote ist entsprechend von 8,3% auf 7,7% (saisonbereinigt) gesunken. Dazu trugen neben der konjunkturellen Erholung die Kurzarbeit, aber auch statistische Änderungen bei der Erfassung von Arbeitslosen bei. Dennoch scheint der aktuelle günstige Trend am Arbeitsmarkt eindeutig zu sein.

Darauf deuten die zuletzt wieder gestiegene Zahl offener Stellen sowie die Entwicklung bei der Kurzarbeit hin. So ist die Zahl der neugemeldeten Kurzarbeiter im April weiter auf nur noch 55.000 gefallen. Im Februar 2009 waren es in der Spitze noch über 720.000. Zwar muss diese Entwicklung in Bezug auf den Bestand der Kurzarbeiter mit Vorsicht interpretiert werden.

Der merkliche Rückgang des Bestands an Kurzarbeitern von 1,5 Mio. zur Jahresmitte 2009 auf 810.000 Ende März 2010 lässt allerdings vermuten, dass bei einer wieder verbesserten Auftragslage die Arbeitszeit wieder erhöht wurde. Diese Entwicklung dürfte sich im laufenden Jahr fortsetzen. Die ausgeprägte Zyklik entkräftet – zumindest teilweise – das Argument, dass Kurzarbeit strukturkonservierend wirkt und damit die strukturelle Anpassungsfähigkeit der Wirtschaft reduziert. Vielmehr „atmet? die Kurzarbeit mit der Konjunktur, was die Wirkungsabsicht dieses arbeitsmarktpolitischen Instruments zu bestätigen scheint.

Auswirkung der Euro-Krise auf die Konjunktur

Noch ist nicht abzusehen, ob mit dem noch durch die einzelnen Länder zu verabschiedenden Sicherungspakt für die Euro-Länder die Vertrauenskrise in die Finanzpolitik europäischer Länder überwunden wird. Außerdem bleibt abzuwarten, inwieweit die aktuellen Vorschläge der EU-Kommission, die eine Ex-ante-Überwachung der Staatshaushalte und größere Sanktionsmöglichkeiten vorsehen, umgesetzt werden und dazu beitragen, die durch die Griechenland- Krise offen gelegten institutionellen Schwächen zu beheben.

Klar ist aber, dass die Ereignisse der letzten Wochen Auswirkungen auf die konjunkturelle Entwicklung im Eurogebiet und in Deutschland haben werden. Dennoch scheint unsere Wachstumsprognose für das laufende Jahr für Deutschland mit 2% gut abgesichert zu sein, auch wenn die von uns für das zweite Halbjahr erwartete Abschwächung der Dynamik eintritt. Eher sehen wir die Chance, dass das Wachstum sogar kräftiger ausfällt. Im kommenden Jahr dürfte dann das deutsche Wachstum allerdings auf gut 1% begrenzt sein.

Massive Sparanstrengungen

Mittlerweile haben mehrere Länder einen beschleunigten Konsolidierungskurs angekündigt und zum Teil auch schon implementiert. Griechenland plant bis 2013 seine Einnahmen um 4% des BIP zu erhöhen und gleichzeitig die Staatsausgaben um 5 1/2% des BIP zu reduzieren (hauptsächlich durch Pensions- und Lohnkürzungen im öffentlichen Dienst). Insgesamt soll das Defizit von 13,6% in 2009 auf unter 3% in 2013 zurückgefahren werden. Spanien hat Steuervergünstigungen abgebaut und die Kapitalertragssteuer erhöht.

Im Juli wird die Mehrwertsteuer um 2 %-Punkte angehoben. Premierminister Zapatero hat zudem eine fünfprozentige Lohnsenkung im öffentlichen Dienst beschlossen. Insgesamt plant die spanische Regierung das Staatsdefizit von 11,2% in 2009 auf 6% bis 2011 zu reduzieren. Portugal hatte zunächst angekündigt, sein Budgetdefizit in 2011 um zusätzliche 1,5 %-Punkte auf dann 5,1% des BIP nach 9,4% in 2009 zu senken.

Letzte Woche wurden weitere Steuererhöhungen und Lohnkürzungen im öffentlichen Sektor vereinbart, um das Defizit noch stärker – auf 4,6% – zurückzuführen. Irland hat ein Ausgabensenkungsprogramm im Umfang von 2 1/2% des BIP für 2010 implementiert. Zusammen mit Effekten von bereits im Verlauf von 2009 eingeführten Maßnahmen ergibt sich ein Gesamteffekt von 4 1/2% des BIP. Die neue britische Regierung wird innerhalb der nächsten Wochen einen Haushalt mit erheblichen Kürzungen vorlegen.

Diese Liste deutet darauf hin, dass die Prognosen der EUKommission, dass das strukturelle Budgetdefizit im Eurogebiet in 2010 lediglich um 1/4 Prozentpunkt sinken sollte, (EU -0,4 Prozentpunkte) wohl die tatsächliche Entwicklung erheblich unterschätzen. Allein in Deutschland dürfte das strukturelle Defizit im kommenden Jahr um 3/4 Prozentpunkte zurückgeführt werden, der Rückgang im Durchschnitt der Eurozone dürfte bei über einem 1 Prozentpunkt liegen.

Verhaltenes Wachstum im Eurogebiet in 2011

Schätzungen der BIP-Auswirkung einer Konsolidierung um 1 Prozentpunkt (Multiplikatoreffekt) weisen eine hohe Spanne von etwa 1/4 bis über 1 Prozentpunkt auf. Dabei handelt es sich um Durchschnittswerte, was die Art der Budgetmaßnahmen, aber auch die Position im konjunkturellen Zyklus angeht.

Angesichts der nach wie vor deutlichen Unterauslastung der Wirtschaft in Europa und des von uns erwarteten Auslaufens positiver Impulse vom Lagerzyklus sowie der Synchronität der Fiskalpolitik in Europa dürften die Multiplikatoreffekte wohl eher am oberen Rand liegen. Das bedeutet, dass wir im Gegensatz zum Konsensus weiterhin erwarten, dass das Wachstumsprofil im Eurogebiet ab der zweiten Jahreshälfte sehr flach verläuft und die durchschnittlichen Wachstumsraten dieses und nächstes Jahr bei rund 1% liegen.

Deutsches Exportwachstum: Schwächer in 2011

Im laufenden Jahr profitierte der deutsche Export stark von der dynamischen Erholung des Welthandels. Die realen Exporte von Gütern und Dienstleistung sollten um gut 9% zulegen. Die Dynamik des Welthandels dürfte sich allerdings in 2011 abschwächen, der Effekt sollte aber durch einen schwächeren Euro etwas abgefedert werden. Allerdings gehen 43% der deutschen Exporte in die Länder des Eurogebiets und 63% in die EU insgesamt. Hier wird sich die konsoldierungsbedingt schwächere Nachfrage auswirken. Insgesamt erwarten wir daher eine Abschwächung des deutschen Exportwachstums auf gut 5% in 2011.

Unsicherheit 2. Ordnung dämpft Investition und Konsum

Angesichts der starken Bedeutung der Exportnachfrage für die deutschen Investitionen ist auch hier mit Blick auf 2011 Vorsicht geboten. Außerdem zeigen empirische Studien, dass erhöhte Unsicherheit die Investitionstätigkeit belastet. Investitionsentscheidungen hängen ab von den Absatzerwartungen, Kosten und den Steuern und Abgaben. Angesichts der jüngsten Entwicklung liegt die Vermutung nahe, dass die Unsicherheit mit Blick auf alle drei Faktoren gestiegen ist. Allerdings ist Unsicherheit ein subjektives Empfinden des Entscheidungsträgers und daher nur schwierig messbar.

Unterstellt man effiziente Märkte, könnte man die erwartete Volatilität an den Aktienmärkten (VIX-Indizes), d.h. die Unsicherheit bezüglich der zukünftigen Unternehmensgewinne, als Proxy verwenden. In einer Untersuchung des Zeitraums 1987 bis 1997 hat die Bundesbank den Einfluss von Unsicherheit auf die Investitionsentwicklung analysiert. Danach sinken die Investitionen um 6 Prozentpunkte, wenn die Volatilität der Kosten und Erlöse um jeweils eine Standardabweichung ansteigt. 1 Da die derzeitige Unsicherheit nicht zuletzt auf den deutlichen Veränderungen des institutionellen Arrangements des Euros basiert, kann man wohl von Unsicherheit 2. Ordnung sprechen, d.h., nicht nur die Eintrittswahrscheinlichkeiten zukünftiger Szenarien sind ungewiss, sondern es existiert bestenfalls eine vage Vorstellung, wie diese Szenarien aussehen könnten, beispielsweise das Extremszenario eines Zerbrechens der Währungsunion. Daher könnten die Auswirkungen der Unsicherheit auf das Verhalten von Investoren, aber auch Konsumenten durchaus erheblich sein.
Pressemitteilung Deutsche Bank

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