„Wir wollen das nachhaltige Investment aus dem Nischendasein herausholen“

Nachhaltige Geldanlagen zählen zu den Gewinnern der weltweiten Finanzkrise. Was steckt hinter diesen Finanzprodukten? Worauf müssen Anleger achten? Anlässlich der Finanzmesse INVEST in Stuttgart befragte forium.de Claudia Tober, Geschäftsführerin des „Forum Nachhaltige Geldanlagen“ (FNG).

Nachhaltige Finanzprodukte: Interview mit Claudia Tober, Geschäftsführerin des „Forum Nachhaltige Geldanlagen“

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forium.de: Frau Tober, was genau versteht man unter dem Begriff „nachhaltige Geldanlagen“?

Tober: Nachhaltige Finanzprodukte unterscheiden sich in vielerlei Hinsicht nicht von Finanzprodukten, bei denen ausschließlich ökonomische Kriterien im Fokus stehen. Auch hier zählen die klassischen Kriterien Rentabilität, Verfügbarkeit und Sicherheit, jedoch kommen weitere Komponenten hinzu.

Nachhaltiges Investment ist die allgemeine Bezeichnung für nachhaltiges, verantwortliches, ethisches, soziales, ökologisches Investment und alle anderen Anlageprozesse, die in ihre Finanzanalyse den Einfluss von so genannten ESG-Kriterien einbeziehen. ESG ist eine Kurzform für den englischen Ausdruck „Environmental, Social, Governance“ und lässt sich mit Umwelt, Soziales und gute oder verantwortliche Unternehmensführung übersetzen. Damit Investments nachhaltig sind, muss eine explizite schriftlich formulierte Anlagepolitik zur Nutzung von ESG-Kriterien vorliegen.

Um konkrete Beispiele für nachhaltige Geldanlagen zu nennen: Es kann sich dabei um den auf Kauf von Solar-Aktien handeln, die Investition in einen Umwelt- oder Mikrokreditfonds oder auch den Aufbau einer privaten Altersvorsorge, bei der das Geld ausdrücklich nicht in Bereichen wie Atomkraft oder Rüstung angelegt wird.

forium.de: Welche Produkte werden von den Banken angeboten?

Tober: Nachhaltige Geldanlagen bilden alle gängigen Finanzprodukte ab, also Aktien und Anleihen genauso wie etwa betriebliche und private Altersvorsorgeprodukte, Beteiligungen, Lebensversicherungen, Investmentfonds, Genussscheine, Rentenpapiere, Sparbriefe, Festgelder oder Zertifikate.

forium.de: Worauf müssen Anleger bei nachhaltigen Geldanlagen achten? Gibt es ein Gütesiegel für die Finanzprodukte?

Tober: Wie in anderen Branchen gibt es auch bei nachhaltigen Finanzprodukten schwarze Schafe. Hinzukommt, dass dieser Markt in den vergangenen Jahren stark gewachsen und damit auch zunehmend unübersichtlich geworden ist. Als Fachverband sieht das FNG seine Aufgabe darin, dem Anleger das Rüstzeug an die Hand zu geben, eine fundierte Investitionsentscheidung unter Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsaspekten zu fällen. Deshalb hat das FNG gemeinsam mit dem europäischen Dachverband Eurosif (European Sustainable Investment Forum) das Transparenzlogo für Publikumsfonds entwickelt.

Anbieter, die den Transparenz Kodex unterzeichnet haben, verpflichten sich dazu, ausführliche, offene, aktuelle und angemessene Informationen über ihre Anlagepolitik bereitzustellen. Wichtig ist dabei, dass die Auskünfte klar, verständlich und informativ sind. Die Anleger können damit selbst überprüfen, wie nachhaltig ein Produkt ist und ob es ihren persönlichen Anforderungen gerecht wird. Das Transparenzlogo gibt es bereits seit 2008. Seit März des laufenden Jahres liegt es in einer aktualisierten Fassung vor. Im deutschsprachigen Raum tragen mehr als 70 Finanzprodukte das Transparenzlogo, europaweit mittlerweile 230 Fonds.

forium.de: Wie riskant ist eine Investition in nachhaltige Geldanlagen?

Tober: Allein an der breit gefächerten Palette nachhaltiger Anlageprodukte lässt sich ablesen, dass sie auch die gesamte Spannweite von Risiko, Rendite und Liquidität bedienen können. Was die Rendite von nachhaltigen Geldanlagen anbetrifft, hat die Praxis nicht nur gezeigt, dass sie konventionellen Anlagen keineswegs nachstehen, sondern auch, dass sie zum Teil sogar eine bessere Performance hinlegen.

forium.de: Welche Unternehmen und Organisationen vertritt das FNG?

Tober: Das FNG hat derzeit mehr als 100 Mitglieder – mit steigender Tendenz. Hierzu zählen beispielsweise Banken, Versicherungen, Kapitalanlagegesellschaften, Rating-Agenturen, Dienstleistungs- und Beratungsunternehmen oder auch wissenschaftliche Einrichtungen. Finanzberater und Finanzvermittler, Stiftungen, gemeinnützige Organisationen und Privatpersonen mit einem starken persönlichen Bezug zum Thema haben sich ebenfalls unter dem Dach des FNG zusammengefunden.

forium.de: Welche Erwartungen haben die Mitglieder an den Verband? Welche Ziele verfolgen sie?

Tober: Das übergeordnete Ziel besteht darin, Nachhaltigkeit und nachhaltige Geldanlagen zu fördern. Wichtig hierfür ist, nachhaltige Geldanlagen in der Finanzdienstleistungsbranche wie auch in der �-ffentlichkeit bekannter zu machen. Wir wollen die Idee der Nachhaltigkeit im Finanzsektor weiter verbreiten. Es muss ein stärkeres Bewusstsein dafür geschaffen werden, welche positiven Lenkungseffekte von nachhaltigen Geldanlagen auf Gesellschaft und Umwelt ausgehen.

Natürlich arbeiten wir auch im politischen und rechtlichen Bereich daran, verbesserte Rahmenbedingungen für nachhaltige Geldanlagen zu erreichen. Auf was es hier aus unserer Sicht ankommt, hat das Forum kürzlich in einem 10-Punkte Positionspapier zusammengefasst, das auf unserer Homepage unter www.forum-ng.org heruntergeladen werden kann. Beispielsweise wäre schon viel erreicht, wenn die Geldanlagen der Sozialversicherungsträger – also der Kranken- und Pflegekassen sowie der Rentenversicherungsträger – konsequent nachhaltig angelegt werden.

Eine weitere zentrale Aufgabe des FNG ist die Qualitätssicherung im Bereich des nachhaltigen Investments. Ein Beitrag hierzu ist das Transparenzlogo für Publikumsfonds.

forium.de: In diesem Jahr findet die Finanzmesse Invest 2010 in Stuttgart statt. Ihr Verband ist auf der Messe vertreten. Was versprechen Sie sich von der diesjährigen Messe?

Tober: Dem FNG geht es darum, mit seinem Gemeinschaftsstand, an dem insgesamt elf FNG-Mitglieder beteiligt sind, die Bandbreite der Branche zu präsentieren und umfassend über das Thema nachhaltige Geldanlagen zu informieren. Wir wollen das nachhaltige Investment aus dem Nischendasein heraus- und stärker in den Mainstream hereinholen. Wir arbeiten daran, dass Nachhaltigkeit künftig wie selbstverständlich in die Anlagenentscheidungen von Institutionen und Privatpersonen einfließt. Auf der Invest 2010 wollen wir mit vielen Menschen ins Gespräch kommen und sie für dieses Thema begeistern.

forium.de: Ein Blick in die Zukunft: Wird sich der Boom nachhaltiger Geldanlagen weiter fortsetzen?

Tober: In der Tat ist der Markt nachhaltiger Geldanlagen stark im Wachstum begriffen, und alles deutet darauf hin, dass dieser Trend anhält. Insbesondere die Finanzmarktkrise hat die Frage nach den Inhalten von Finanzprodukten in den Fokus der Aufmerksamkeit gerückt und damit nachhaltigen Geldanlagen zusätzlichen Auftrieb verschafft. Die Unsicherheit von Anlegern und institutionellen Investoren ist groß. Die klassischen Kriterien der Geldanlage sind nicht beziehungsweise nicht mehr ausreichend.

Neben der stärkeren Werteorientierung und den sozialen Auswirkungen der Globalisierung führen auch neuere Erkenntnisse über das Ausmaß des Klimawandels und die Zunahme der globalen Erwärmung zu einem Umdenken der Anleger und Investoren. Seit 2006 mit dem Stern-Report auch die ökonomische Dimension des Klimawandels stärker in das Blickfeld der �-ffentlichkeit gelangt ist, erfreuen sich nachhaltige Geldanlagen zunehmender Beliebtheit.

Über das Forum Nachhaltige Geldanlagen

Fachverband für Nachhaltige Geldanlagen in Deutschland, �-sterreich und der Schweiz

Das Forum Nachhaltige Geldanlagen e.V. repräsentiert über 100 Mitglieder aus dem deutschsprachigen Raum, die sich für mehr Nachhaltigkeit in der Finanzwirtschaft einsetzen. Dazu zählen u. a. Finanzberater, Banken, Rating-Agenturen und wissenschaftliche Einrichtungen. Das Forum Nachhaltige Geldanlagen (FNG) fördert den Dialog und Informationsaustausch zwischen Wirtschaft, Wissenschaft und Politik und setzt sich seit 2001 für verbesserte rechtliche und politische Rahmenbedingungen für nachhaltige Investments ein. Das FNG vergibt das Transparenzlogo für nachhaltige Publikumsfonds und ist Gründungsmitglied des europäischen Dachverbandes Eurosif (European Sustainable Investment Forum).

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