Insolvenzrisiko im industriellen Mittelstand steigt

Eine aktuelle Mitgliederbefragung des WSM Wirtschaftsverbands Stahl- und Metallverarbeitung zeigt die dramatischen Auswirkungen der Wirtschafts- und Finanzkrise auf den deutschen industriellen Mittelstand.

Demnach hat sich bei 57 Prozent der befragten Unternehmen die Liquiditätslage seit Oktober 2008 verschlechtert, bei weiteren 10 Prozent sogar in dramatischer Weise. Parallel haben die Banken die Zügel angezogen: 7 Prozent der befragten Unternehmen wurden seit vergangenem Oktober Kreditlinien gekürzt, jedes fünfte Unternehmen muss höhere Zinsen schultern, jedes zweite bekam strengere Korridore für Bilanzkennzahlen (sog. „Covenants“) diktiert. Bei 18 Prozent verlangten die Banken höhere Sicherheiten und immerhin 3 Prozent wurden die Kredite ganz gekündigt. Erschwerend hinzu kam, dass die Warenkreditversicherer ihren Schutzschirm im Regen eingeklappt haben: jedem zweiten Unternehmen haben sie die Verträge gekürzt oder sogar ganz gekündigt. Trotz dieser für viele Unternehmen gefährlichen Situation, haben lediglich knapp 16 Prozent der befragten Unternehmen Kreditmittel aus dem KfW-Sonderprogramm 2009 beantragt. Von den gestellten Kreditanträgen wurden wiederum nur 20 Prozent genehmigt. Die Situation für Bürgschaften schaut noch trüber aus: Die 145 repräsentativ befragten Unternehmen stellten seit Oktober 2008 lediglich elf Anträge bei KfW oder Landesprogrammen. Nur vier wurden bewilligt. „Liquiditätsengpässe auf der einen Seite und wenige Anträge auf KfW-Mittel oder Bürgschaften auf der anderen Seite: das wirft ein ganz schlechtes Licht auf die Banken und auf die Wirksamkeit der Konjunkturprogramme““, sagt Ulrich Galladé, Präsident des WSM. „Viele Banken senken beim industriellen Mittelstand offenbar direkt den Daumen, wenn dieser wegen dringend nötiger Liquiditätsspritzen aus den KfW- oder anderen Töpfen anfragt und wegen des Hausbankprinzips dort auch anfragen muss. Eine Ausnahme bilden allenfalls einige Sparkassen, wie unsere Umfrage gezeigt hat. Unsere Unternehmen haben demnach kaum eine Chance, dass aus einer Anfrage auch ein Antrag wird.“ Das Problem liege aber nicht nur bei den Banken, sondern auch bei der KfW selbst, so WSM-Präsident Ulrich Galladé. Es hapere bei der Förderbank, die mit der Umsetzung der Konjunktursonderprogramme I und II beauftragt ist, am nötigen Krisen- und Sanierungs-Rüstzeug, um den Liquiditätsbedarf des Mittelstands zu bedienen. Die geringe Bewilligungsquote belege, dass die KfW Kreditanfragen nur für Unternehmen mit besten Bonitäten zusage. Diese Unternehmen werden aber meistens schon von den Hausbanken selbst mit Liquidität versorgt. Galladés Vorschlag: „Die Haftungsfreistellungen für Betriebsmittelkredite müssen – wie für Investitionskredite – auf 90 Prozent angehoben werden. Das ist mit dem europäischen Beihilfenrecht vereinbar. Und das KfW-Sonderprogramm muss viel enger mit den Landesbürgschaftsprogrammen verknüpft werden. Dort gibt es eine größere Sanierungsexpertise.“ Galladé fordert Bund und Länder auf, schnell gemeinsam zu handeln. „Das Konjunkturprogramm ist gut ausgestattet. Es geht nicht um mehr Geld. Aber es fehlt der Keilriemen, um die PS der Konjunktursonderprogramme auf die Strasse zu bringen. Das muss sich schnell ändern“. Dass die WSM-Unternehmen derzeit von den – üppig gefüllten – vorhandenen Liquiditätstöpfen ferngehalten werden, bleibt nicht ohne Folgen: Knapp 40 Prozent der befragten Unternehmen gaben an, dass sich ihr Insolvenzrisiko erhöht habe. Bei 5 Prozent sei es sogar sehr hoch. Die Auswirkungen auf die Arbeitsplätze bleiben nicht aus: Nachdem die Unternehmen ihre Leiharbeiter-Stellen (ca. 20.000 Arbeitsplätze) branchenweit bereits fast durchweg abgebaut haben, trifft es nun auch die Stammbelegschaften. „Bis Ende des Jahres rechnen wir hier mit einem Stellenabbau von weiteren rund 10 Prozent. Etwa weitere 43.000 Arbeitsplätze werden wegfallen. Damit wird der Aufbau der vergangenen Jahre wohl in wenigen Monaten aufgezehrt sein“, so Galladé. Um der Krise zu begegnen, denkt derzeit jeder zehnte Unternehmer der Branche über eine Fusion nach. „Zu wenig“, mahnt WSM-Präsident Galladé. Zwar seien viele Unternehmen sehr stark in die Krise gegangen. Von den befragten Unternehmen verfügte fast jedes dritte über eine Eigenkapital-Quote von mehr als 50 Prozent, bei weiteren 29 Prozent lag sie 2008 zwischen 30 und 50 Prozent. Und für das erste Quartal 2009 berichtet nur jedes sechste befragte Unternehmen von einer verschlechterten Eigenkapitalsituation. Aber das könne sich rasch ändern, wenn die Krise noch länger andauere, so Galladé. Auch wenn die Substanz sehr solide sei, müsse die Krise genutzt werden, um die notwendige Konsolidierung der Branche voranzutreiben. „Jetzt ist die Gelegenheit für viele Unternehmen des Mittelstands, sich gemeinsam für die Zeit nach der Krise neu aufzustellen. Insolvenzen vernichten Werte, Zusammenschlüsse schaffen Werte“. Über den WSM: Die Stahl und Metall verarbeitende Industrie in Deutschland, das sind: mehr als 4.900 vorwiegend familiengeführte Betriebe, die mit rund 450.000 Beschäftigten über 83 Milliarden Euro Umsatz im Jahr erwirtschaften. Die WSM-Unternehmen sind als Zulieferunternehmen für die Automobilindustrie, den Maschinen- und Anlagenbau, die Elektrik- und Elektronikindustrie, die Bauindustrie und den Einzelhandel tätig – damit sind sie die Drehscheibe für die industrielle Produktion in Deutschland.

Pressemitteilung WSM

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