Scoring: Entwurf zum Bundesdatenschutzgesetz greift zu kurz

Als nicht ausreichend kritisiert der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) die heute im Kabinett beschlossenen Neuregelungen zum Einsatz von Scoring-Verfahren.

"Verbraucher werden auch in Zukunft nicht erfahren, warum sie von Unternehmen in welche Schubladen gesteckt werden", befürchtet Cornelia Tausch, Fachbereichsleiterin Wirtschaft. Ziel der Änderungen im Bundesdatenschutzgesetz ist es, transparente Regeln für den Einsatz von Scoring-Verfahren zu schaffen.

Tausch: "Die heute beschlossenen Maßnahmen stellen einen richtigen Schritt dar, laufen aber Gefahr, das Ziel zu verfehlen." Die Verbraucherschützer appellieren jetzt an die Bundestagsfraktionen, sich für Bewertungsverfahren einzusetzen, die den ungezügelten Einsatz von Scoring-Verfahren begrenzen und die Transparenz der Verfahren spürbar verbessern.

Scoring-Verfahren werden verwendet, um die Kreditwürdigkeit, die Zinskonditionen und die Versicherungsprämie zu errechnen. Zunehmend entscheiden sie auch darüber, ob Verbraucher einen Telefon- oder Mietvertrag erhalten. Dabei werden Informationen über das Zahlungsverhalten ebenso herangezogen wie pauschale Kriterien wie Wohnadresse, Alter, Familienstand oder Beruf.

Eine vom Verbraucherzentrale Bundesverband im Januar 2008 vorgelegte Studie hat massive Defizite bei der Anwendung von Scoring-Verfahren zu Tage gefördert. Das Ergebnis: Die Verfahren objektivieren nicht unternehmerische Entscheidungen, sondern werden intransparent eingesetzt.

Zudem verstoßen Anbieter gegen das Datenschutzrecht, indem sie sich in ihren Einschätzungen ausschließlich auf die Scoring-Ergebnisse verlassen. "Die Suche nach einem für die Verbraucher individuell passenden Angebot gleicht durch den Einsatz von Scoring-Verfahren zunehmend einem Glücksspiel", sagt Tausch.

Verwundert und verärgert ist der Verbraucherzentrale Bundesverband darüber, dass in letzter Sekunde Verbesserungen für Verbraucher aus dem Gesetzentwurf gestrichen wurden. Im Juni sah der Gesetzesentwurf noch vor, dass Unternehmen und Auskunfteien, die Scoring-Verfahren verwenden, den Verbrauchern konkret und nach Priorität gestaffelt darlegen müssen, welche Faktoren für ihre Entscheidungen maßgeblich waren.

Diese klare Regelung wurde durch eine auslegungsbedürftige, schwammige Formulierung ersetzt. "Anstatt den mündigen Verbraucher zu fördern, der über die Spielregeln des Marktes informiert ist, bleibt der Verbraucher weiterhin Opfer maschineller Datenverarbeitung", so Tausch. Es sei nicht nachvollziehbar, warum die Bundesregierung in diesem so entscheidenden Punkt nachgegeben habe.

Keine Schranken für Einsatz von Scoring-Verfahren

Auch beschränkt der Gesetzesentwurf nicht den Anwendungsbereich von Scoring-Verfahren. Diese kommen im Wirtschaftsleben immer häufiger vor. "Scoring-Verfahren müssen auf die Bereiche beschränkt bleiben, in denen kreditorische Risiken existieren, sonst leidet die Verhandlungsfreiheit der Verbraucher – das schadet nicht nur den Verbrauchern, sondern der Wirtschaft im Ganzen", so Tausch.

Positiv hebt der Verbraucherzentrale Bundesverband Maßnahmen hervor, die verhindern, dass das Einholen unterschiedlicher Kreditkonditionen zu einer Scorewertverschlechterung führen. Zu begrüßen sei ferner, dass Verbraucher einmal im Jahr einen kostenlosen Auskunftsanspruch bei Auskunfteien erhalten und der Bußgeldtatbestand auch auf eine Auskunftsverweigerung erweitert werden soll.

Datenschutz ist Verbraucherschutz
Nicht nur der Einsatz von Scoring-Verfahren schürt die Sorge der Verbraucher vor einem Missbrauch ihrer persönlichen Daten. Die Skandale bei Lidl und der Telekom, RFID-Chips, der ePass, die Gesundheitskarte oder der Datenklau im Internet verursachen ebenfalls Unbehagen. Laut Eurobarometer vom Februar 2008 haben 86 Prozent der deutschen Verbraucher kein Vertrauen in die Praxis des Datenschutzes.

"Datenschutz muss endlich praktisch gelebt werden und darf nicht den Gerichten überlassen werden", so Tausch. Der Verbraucherzentrale Bundesverband fordert daher, dass die Bundesregierung die Novellierung des Bundesdatenschutzgesetzes auch dazu nutzt, den Schutz der Verbraucher insgesamt zu stärken. Hierzu sind notwendig:

* Die Klagebefugnis der Verbraucherverbände zu stärken, um datenschutzrechtliche Verstöße abmahnen zu können.
* Ein Verbot des praktizierten Opt-Out-Prinzips bei Datenweitergabeklauseln. Ein obligatorisches „Opt-In‘ würde die Kenntnisnahme und Einwilligung der Verbraucher in die Verwendung ihrer persönlichen Daten zu Werbezwecken sicherstellen.
* Ein Sammelrückrufrecht, damit Verbraucher ihre Einwilligung zur Verwendung ihrer Daten in einem Zuge widerrufen können.
* Den zügigen Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens zur Einführung eines Datenschutzaudit.

Pressemitteilung des VZ Bundesverbandes

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