Mangelhafte Energieausweise aus dem Internet

Goldgräberstimmung herrscht bei den Anbietern von Energieausweisen angesichts der nahenden Vorlagepflicht: Im Internet bieten sie die Erstellung des vierseitigen Papiers plus Anlagen zu Schnäppchenpreisen. Doch fast alle Online-Angebote sind nicht zu gebrauchen – so das Ergebnis eines Checks durch die Verbraucherzentrale NRW.

Lediglich einer von 97 überprüften Ausstellern fragte auf seiner Homepage alle 14 gesetzlichen Pflichtdaten vollständig ab.

Von den 29 Verbrauchsausweisen, die im Test gekauft und ausgewertet wurden, waren zwölf schon formal „mangelhaft“, achtzehn hielten einer weitergehenden fachlichen Prüfung nicht Stand. Selbst durch unübersehbare Patzer bei der Dateneingabe wurde die vorgeschriebene Plausibilitätsprüfung nicht alarmiert, sodass einem 1962 gebauten Haus – seither lediglich mit neuen Fenstern versehen – fälschlich von vier Ausstellern im Energieausweis sogar Verbrauchswerte weit unter Neubaustandard bescheinigt wurden. Ein Testat, das zum kostenträchtigen Boomerang werden kann: Denn Eigentümer wie Vermieter haften, wenn Käufer oder Mieter Schadenersatz fordern, weil sich das ausgewiesene Sparhaus als sanierungsbedürftiger Energiefresser entpuppt.

Bei Verkauf oder Vermietung eines Gebäudes oder einer Wohnung naht die Pflicht: Ab 1. Juli schreibt die Energieeinsparverordnung – gestaffelt nach Baualter und Gebäudetyp – bei Verkauf oder Vermietung einer Wohnung oder eines Gebäudes die Vorlage eines Energieausweises vor. Steckbriefartig informiert das Dokument über den Energiestandard eines Gebäudes, damit Miet- und Kaufinteressenten es von nun an leichter haben, sich über den Heizenergiebedarf des neuen Domizils zu orientieren. Als Wegweiser dienen dabei sogenannte Energiekennzahlen, bei denen Heizenergie und Wohnfläche ins Verhältnis gesetzt werden und als Vergleichsmaßstab für den Energiebedarf anderer Gebäude dienen.

Der Energieausweis kommt in zwei Varianten daher: Als preiswerter Verbrauchsausweis, der für Kosten zwischen 20 und 100 Euro allein auf Grundlage von Verbrauchsmessungen erstellt wird und dessen Ergebnisse keine zuverlässige Auskunft über den energetischen Zustand des Gebäudes geben. Und dem teureren Bedarfsausweis, bei dem ab etwa 150 Euro ingenieurtechnisch die Energiebedarfskennwerte eines Gebäudes berechnet und dessen energetische Qualität unabhängig vom individuellen Energieverbrauchsverhalten der Bewohner beurteilt wird.

Bis 1. Oktober 2008 können auch Eigentümer bis 1965 fertig gestellter Häuser noch zwischen den beiden Varianten wählen – danach wird der Bedarfsausweis für Häuser-Oldies mit weniger als fünf Wohnungen Pflicht. Angesichts der gesetzlichen Deadline machen sich Anbieter nun energisch daran, Verbrauchsausweise via Internet als Schnäppchen feilzubieten.

Bei 97 Onlineangeboten – von Stadtwerken, Architekten, Ingenieuren, Technikern, Handwerkern und Abrechnungsfirmen – hat die Verbraucherzentrale NRW jetzt gecheckt, ob die Eingabemasken, mit deren Hilfe Energieausweis-Interessenten die notwendigen Daten zur Erstellung selbst übermitteln, sich an den gesetzlichen Vorgaben messen lassen.

Fatal error – so das Ergebnis, denn allein ein Aussteller erwies sich als „Musterschüler“ und fragte alle 14 Pflichtdaten ab. Nur zwei Informationen – die Anschrift und die Energieverbrauchsdaten – waren in allen 97 Fällen abgefragt worden. Alle übrigen Ausweis-Ersteller beschränkten sich auf die Ermittlung von sieben bis 13 Daten. Dabei ließen 40 Prozent für die Ermittlung des Energiekennwerts wichtige Faktoren wie Kellerbeheizung und Leerstände außen vor. Bei 20 Prozent der untersuchten Online-Angebote musste der Besteller keine Energie aufwenden, um – wie gesetzlich vorgeschrieben – Angaben über die Warmwasserversorgung des Gebäudes zu machen.

„Allein auf Grund der Internetpräsentationen ist für den Besteller in fast allen Fällen zweifelhaft, ob der bestellte Verbrauchsausweis überhaupt zu gebrauchen ist“, lässt Klaus Müller, Vorstand der Verbraucherzentrale NRW, Dampf über solch verbraucherunfreundliches Anbieterverhalten ab. Außerdem: Unübersichtliche Datenblätter und missverständliche Anweisungen der Online-Aussteller taten ein Übriges, dass fast alle Angebote den Qualitätstest zur Dateneingabe nicht bestanden.

Auch beim zweiten Test-Element zeigten Aussteller wenig Energie, um den Anforderungen zu genügen: Als die Verbraucherzentrale NRW für ein Mehrfamilienhaus – Baujahr 1962 – mit vier Wohneinheiten und 362 Quadratmetern Wohnfläche bei 29 Anbietern Verbrauchsausweise per Mausklick orderte, fielen 12 der 29 Ausweise schon bei der formalen Prüfung auf Vollständigkeit und richtige Übertragung der übermittelten Daten durch und mussten nachgebessert werden. Da fehlten Angaben zum Anlass der Ausstellung, das Baujahr der Anlagentechnik oder zum Warmwasser. Bei jedem dritten Ausweis stimmten die eingetragenen Daten nicht mit den übermittelten überein. Die meisten Fehler waren bei den Verbrauchszeiträumen und beim Warmwasser zu verzeichnen. Als noch wesentlich gravierender erwiesen sich jedoch Berechnungsfehler, die in der Regel nur von Fachleuten zu erkennen sind und bei denen der Online-Besteller deshalb auch keine Nachbesserung einfordern kann.

In 18 der 29 bestellten Ausweise entdeckten die Energieexperten der Verbraucherzentrale NRW nämlich fachliche Fehler bei der Berechnung der Verbrauchskennwerte, die zum Teil zu erheblichen Abweichungen von bis zu 40 Prozent führten.
Der Plausibilitätstest schließlich rundete das Bild fahrlässiger Ausstellungspraxis ab: Weil die Energieeinsparverordnung vorschreibt, dass Aussteller die vom Ausweis-Besteller selbst gemachten Angaben nicht verwenden dürfen, wenn begründete Zweifel an deren Richtigkeit bestehen, hat die Verbraucherzentrale NRW bei der Online-Bestellung die Probe gemacht: Zehnmal wurden bewusst Zahlendreher in einem der drei Verbrauchszeiträume eingebaut, die Maßeinheiten Kubikmeter und Kilowattstunden in vier Datenmasken verwechselt und bei neun Eingaben gezielt für die Verbrauchsberechnung die Hälfte des Normalverbrauchs zugrunde gelegt.

Daran knüpfte sie die Erwartung, dass die sehr niedrigen Werte bei der Einheiten-Verwechslung wie auch die durch Zahlendreher verursachte erhebliche Abweichung Ausstellern selbst bei nur sehr grober Überprüfung der übermittelten Verbrauchsdaten hätte auffallen müssen. Doch ernüchternd das Ergebnis: Bei der – für das Musterhaus schon ziemlich unrealistischen – Eingabe des halben Verbrauchs gab es in keinem Fall eine Nachfrage: Alle Ausweise wurden mit einem Energiekennwert von rund 130 kWh pro Jahr und Quadratmeter annähernd auf Neubaustandard ausgestellt. Und auch die niedrigen Werte des Zahlendrehers ließen nur zwei Aussteller stutzen. Hingegen führte die Verwechslung der Maßeinheiten bei vier Ausstellern fälschlich zur Bescheinigung eines fantastischen Verbrauchskennwerts von ca. 50 kWh pro Jahr und Quadratmeter weit unter Neubaustandard.

„Viele Aussteller von Online-Ausweisen sind von einer verantwortlichen Wahrnehmung der Prüfpflicht weit entfernt“, mahnt Klaus Müller dringend Qualitätsverbesserungen an und weist zugleich auf die fatalen Folgen der bisherigen Praxis hin: „Vermieter wie Eigentümer haften, wenn Mieter oder Käufer Schadenersatz fordern, weil sie sich getäuscht fühlen, wenn Energiebedarfskennwerte im Verbrauchsausweis zwar ein Sparhaus avisierten, der tatsächliche Verbrauch dann aber einem energetisch sanierungsbedürftigen Objekt entspricht.“
Energieausweis-Interessenten rät er, nur solche Online-Verbrauchsausweise zu ordern, die alle 14 Pflichtdaten abfragen. Wer schon einen unvollständigen Ausweis in Händen hält, kann vom Ersteller kostenlose Nachbesserung verlangen und nach Ablauf einer etwa zweiwöchigen Nachfrist gegebenenfalls vom Vertrag zurückzutreten, wenn Energieausweise dann immer noch nicht den gesetzlichen Vorgaben entsprechen.

Pressemitteilung der VZ NRW

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