Hartz IV: Lebensgemeinschaften unter der Lupe

Seit August 2006 gelten strengere Bedingungen für Langzeitarbeitslose. Wer Arbeitslosengeld II erhält oder beantragt, muss mit überraschendem Besuch rechnen.

Vor allem Antragsteller, die nicht allein leben, geraten schneller ins Visier der Kontrolleure, wie das ZDF berichtet. Leben Mann und Frau in einer eheähnlichen Gemeinschaft? Eine Frage mit weit reichenden Folgen. Denn ein eheähnliches Zusammenleben gilt als Bedarfsgemeinschaft, in der das Einkommen des Partners auf das Arbeitslosengeld II angerechnet wird.

Bislang musste die zuständige Behörde beweisen, dass es sich nicht um eine Wohn- sondern eine Bedarfsgemeinschaft handelt. Dies ist seit dem 1. August anders: Jetzt muss der Langzeitarbeitslose beweisen, dass er nicht in einer Bedarfsgemeinschaft lebt.

Laut Bundesverfassungsgericht ist die eheähnliche Lebensgemeinschaft eine enge persönliche Bindung, die auf längere Dauer angelegt ist und in der die Partner – auch materiell – füreinander einstehen. Praktische Kriterien sind zum Beispiel, wenn die Partner länger als ein Jahr zusammen leben (bisher: drei Jahre), mit einem gemeinsamen Kind leben, über Vermögen und Einkommen des anderen verfügen können, oder Kinder oder Angehörige im Haushalt versorgen.

„Trifft eines der Kriterien zu, wird ohne nähere Prüfung von einer Bedarfsgemeinschaft ausgegangen. Ein Antrag auf ALG II wird abgelehnt, wenn der Partner genug verdient“, so Angela Stein-Ulrich von der Arbeitslosenberatungsstelle Neuss.

Wie man als Betroffener nachweist, dass man nicht in einem eheähnlichen Verhältnis lebt, ist vom Gesetzgeber noch nicht eindeutig geregelt. Hilfreich ist aber, wenn man nachweisen kann, dass die Bewohner getrennte Kassen und Schlafzimmer haben und im Idealfall nur Bad und Küche teilen.

Langzeitarbeitslose müssen damit rechnen, dass ihre Angaben vor Ort überprüft werden. Wenn der Verdacht besteht, dass jemand zu Unrecht ALG II beantragt oder bezieht, kommt oft ein Kontrolleur. Damit die Betroffenen ihre tatsächliche Lebenssituation nicht vertuschen können, klingeln die Außendienstmitarbeiter des Arbeitsamtes meist ohne Anmeldung.

„Wenn der Kontrolleur vor der Tür steht und Sie gerade keine Zeit haben, sollten Sie am besten einen Termin vereinbaren“, rät Stein-Ulrich. In jedem Fall muss sich der Mitarbeiter ausweisen, den Grund seines Besuchs nennen und darüber informieren, dass die Angaben freiwillig sind.

Wenn der Bewohner zustimmt, dürfen sich die Kontrolleure Schlafräume, Badezimmer, Schränke oder den Kühlschrank ansehen. Häufig liegt die Entscheidung im Ermessen des Kontrolleurs. „Wer sicher ist, dass die Beurteilung falsch ist, kann Widerspruch einlegen oder notfalls klagen“, rät Stein-Ulrich. Falls aufgrund der Einschätzung gar kein Geld gezahlt wird, können die Betroffenen einen Eilantrag stellen.

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