Trocken bleiben im Treibhaus

Fluten führen uns regelmäßig vor Augen, warum wir nicht mehr entlang gefährdeter Küstenstriche und Flüsse bauen sollten und warum wir weiterhin unsere CO2 Emissionen reduzieren müssen. Doch sobald das Wasser wieder zurückgegangen ist, sind die guten Vorsätze oft schnell vergessen. Clem Booth, Mitglied des Vorstands der Allianz SE, erklärt, warum der Handel mit CO2 Emissionen immer noch wichtig ist, warum er „grüne“ Produkte fordert und wie der Klimawandel unsere Lebensgewohnheiten veraendert.
  Allianz SE
München, 26.09.2013

„Die öffentliche Hand muss lokal Städte und Regionen „klimasicher“ machen.“ Clement Booth, Vorstandsmitglieder der Allianz SE

Von Clement Booth
 

Die jüngsten Extremwetterlagen mit Todesfolge und Milliardenschäden erinnern uns immer dringender an den Preis des Klimawandels. Nach nur elf Jahren hatten wir in Mittel- und Osteuropa eine weitere „Jahrhundertflut“, diesmal mit volkswirtschaftlichen Kosten von zwölf Milliarden Euro. In New York liefen nach Hurrikan „Sandy“ die U-Bahn-Schächte wie eine Badewanne voll und es gab fünf Tage lang keinen Strom. Der Gesamtschaden allein in der Stadt wird auf gut 14 Milliarden Euro geschätzt. Im Stadtbereich mit konkreter Überflutungsgefahr leben 400.000 Menschen, es gibt dort 270.000 Arbeitsplätze und 68.000 Gebäude, viele von ihnen mit Geschäften im Erdgeschoss und Heizungsinstallation im Keller, also unter dem Meeresspiegel.
 

Solange die Gefährdung durch die Erderwärmung abstrakt und fern erschien, fiel es vielleicht leicht, sie mit einem Achselzucken abzutun. Durch die Mehrung von Starkregen, Überschwemmungen, Dürren und tropischen Wirbelstürmen mit immer höherer Zerstörungskraft bekommt der Klimawandel mittlerweile etwas Spezifisches, Bedrohliches. Da liegt es auf der Hand, dass in Sachen Vorsorge mehr geschehen muss, als das Zerstörte nach jeder Katastrophe wieder aufzubauen.
 

Die weitverbreitete Hoffnung, ihn durch globale Vereinbarungen im Rahmen des UN-Systems aufzuhalten, hat bisher aber kaum greifbare Resultate erbracht. Bei aller theoretischen Eleganz, die solchen weltweit bindenden Lösungen zugrunde liegt, stoßen sie in der praktischen Politik doch an unüberwindbare Interessengegensätze. So wünschenswert es ist, auf diesem Wege zu sanktionierbaren, international bindenden Festlegungen zu gelangen: Wahrscheinlich ist dieses Szenario nicht, weil souveräne Staaten davor zurückschrecken, sich für 20 Jahre oder mehr binden zu  lassen. Das gilt für mächtige Industriestaaten wie für Schwellenländer.
 

Doch die Treibhausgasemissionen steigen unverdrossen weiter an – so wie auch die klimabedingten Wetterkapriolen. Das hehre Ziel, die Welttemperatur nicht stärker als zwei Grad Celsius über dem Temperaturdurchschnitt in vorindustrieller Zeit anwachsen zu lassen, ist schwer zu erreichen; eigentlich, sagen Experten, kann es kaum noch gelingen. Die Weltbank, kein übereifriger Klimaschützer, warnt vor den Folgen des wahrscheinlicheren Szenarios, einem durchschnittlichen Temperaturanstieg von 3,5 bis 4 Grad Celsius: Hitzewellen, Meeresspiegelanstieg bis 2100 um mindestens einen halben Meter und Missernten hätten besonders böse Folgen für die Ärmsten der Armen.
 

Florida: Von einer Million Einwohner im Jahr 1920 auf 19 Millionen im Jahr 2013
 
Unterdessen wird an den Küsten, insbesondere in den USA, mit kaum gebremster Energie weitergebaut. Dabei ist hier die Gefahr für Leib und Gut heute schon besonders augenfällig, nicht allein wegen der Hurrikane und dem steigenden Meeresspiegel, sondern auch wegen der  inzwischen erreichten Wertkonzentration. 1920 wohnten in Florida beispielsweise eine Million Menschen; heute sind es 19 Millionen. Was heftige Wetterkapriolen für hochentwickelte Städte im Katastrophenfall bedeuten, die keine Fluttore wie Rotterdam, London und St. Petersburg besitzen, hat New York und Hurrikan „Sandy“ gezeigt. Dort gab es praktisch keine Vorsorgemaßnahmen, sondern nur Evakuierungspläne. Das ist heute definitiv unzureichend.
 

Wie soll es also weitergehen, wenn es nicht gelingt den CO2-Ausstoß vertraglich zu verringern und den Klimawandel zu verlangsamen? Selbst wenn demnächst ein Ausstoßstopp erreicht wird, würde sich die Erdatmosphäre mehrere Jahrzehnte weiter erwärmen, die Meeresspiegel würden anwachsen und die Extremwetterlagen zunehmen. Denn die Verweildauer des CO2 in der Erdatmosphäre hält sehr lange an.
 
Es wird kein Weg daran vorbeiführen, dass wir uns an die neue Extremlage anpassen müssen, jeder für sich in Bezug auf seinen Lebensstil und seine Konsumgewohnheiten, und alle gemeinsam durch pragmatische Vorkehrungen gegen Klimafolgen am Ort. Und die öffentliche Hand muss lokal Städte und Regionen so gut es geht „klimasicher“ machen. Deichbau, Fluttore, Überflutungsgebiete und Vorkehrungen, die das Energie-, Verkehrs- und Kommunikationsnetz schützen, sind alles Ansätze einer vorsorgenden Klimapolitik. Dazu gehört es auch, auf weitere Besiedlung in Gefährdungsgebieten zu verzichten. Wir als Versicherer unterstützen diesen Prozess, indem wir in klimaschonende Technologien investieren und unser Versicherungsportfolio schrittweise so umkrempeln wollen, dass der Kunde die Option erhält eine „grüne“ Variante zu erwerben. Dabei wird es auch zu einer Ausdifferenzierung der Preise kommen, weil beispielsweise die Wiedererrichtung eines beschädigten Gebäudes nach ökologischen Gesichtspunkten aufwendiger ist als mit herkömmlichen Baustoffen und Technologien.
 

Klimaschutz: Insellösungen müssen zusammenwachsen
 
Um aber auf breiter Grundlage Verhaltensänderungen anzustoßen und klimafreundliche Produktion und Verbrauch nicht nur verbal einzufordern, sondern marktwirtschaftlich zu steuern, muss der schädliche CO2-Ausstoß einen Preis erhalten und Emissionshandelssysteme möglichst weltumspannend für eine klimaschonende Ressourcenallokation sorgen. Leider sind hier einige Ansätze stecken geblieben. Der eigentlich gut funktionierende EU-Markt darbt daran, dass das Angebot an Zertifikaten noch nicht an einen krisenbedingten Nachfrageeinbruch angepasst werden kann. Es gibt aber andere ermutigende Signale: In Kalifornien, Quebec, Südkorea, einigen chinesischen Provinzen, Tokio und Australien sind CO2-Handelssysteme entstanden. Diese Insellösungen müssen so schnell wie möglich zusammenwachsen. Wir werden auf den Erfolg dieser Maßnahmen angewiesen sein.
 

CLEMENT BOOTH ist Vorstandsmitglied der Allianz SE
 

Dieser Artikel wurde erstmals in der Frankfurter Rundschau veröffentlicht.

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Disclaimer   Kontakt für Presse

Nicolai Tewes
Allianz SE
Tel.: +49.89.3800-4511
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Pressemitteilung Allianz ( Allianz SE
München, 26.09.2013 )

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