Studie: Die Erfolgsfaktoren für den Automobilbau der Zukunft

Die Automobilzulieferindustrie zählt zu den wettbewerbsintensivsten Branchensektoren in Europa. Trotz Preissenkungen von durchschnittlich 2,4 Prozent im Jahr gelingt es der Mehrzahl der Unternehmen, profitabel zu wachsen.

Die in der Studie „Hochleistungsbranche Automobilzulieferer“ von HypoVereinsbank und der Strategieberatung Oliver Wyman untersuchten europäischen Zulieferer setzen heute über 145 Milliarden Euro mit Komponenten, Modulen und Systemen um.

Bisher wurde entweder Kostenführerschaft oder Innovations- beziehungsweise Technologieführerschaft angestrebt. Jetzt ist eine Kombination dieser Strategien notwendig. Hinzu kommen Erfolgsfaktoren wie klare Kundenorientierung, unternehmerisches Handeln, führende Innovationskompetenz, hohe Mitarbeiterqualifikation und kostengünstige Fertigung.

„Es reicht heute nicht mehr aus, nur Kosten- oder Innovationsführer zu sein. Wer zu den Top-Performern gehören will, muss in allen Bereichen eine Spitzenposition einnehmen“, erklärt Guido Schacht, Risikomanager der HypoVereinsbank und Co-Autoder Studie.

Die Kostenposition wird in Zukunft neben starker Netzwerkfähigkeit und Globalisierungskompetenz am meisten
an Bedeutung gewinnen. Im Mittelpunkt der HypoVereinsbank-/Oliver Wyman-Studie steht die Frage, was den erfolgreichen vom erfolglosen Automobilzulieferer unterscheidet.

„Die ermittelten Erfolgskriterien tragen zur Qualität der Beratung unserer mittelständischen Firmenkunden bei. Nur wer inhaltlich mit dem Kunden diskutieren kann, berät kompetent“, begründet Vorstandsmitglied Stefan Schmittmann das Engagement der HypoVereinsbank.

Erfolg wird in der Zulieferindustrie unterschiedlich gemessen. Einig sind sich die Top-Manager der befragten Unternehmen aber darüber, dass die wichtigste Maßzahl für den Erfolg ihres Unternehmens die langfristige Wirtschaftlichkeit ist:

Operativer Gewinn, Cashflow, Umsatzrendite (EBITDA zu Umsatz) und Umsatzwachstum sind die entscheidenden Erfolgsmaßstäbe. Bei vielen Unternehmen nehmen „weiche“ Faktoren eine vergleichbar wichtige Stellung ein, allen voran die Mitarbeiterzufriedenheit und das Schaffen von Arbeitsplätzen (86 Prozent), Innovations- und Technologieführerschaft (44 Prozent) oder Kundenzufriedenheit und positive Marktpräsenz (36 Prozent).

Über 75 Prozent der in der Studie befragten Geschäftsführer und Vorstände der Zulieferindustrie sind bereit, zugunsten dieser Kriterien kurzfristig auf die Optimierung ihres wirtschaftlichen Erfolgs zu verzichten. „Zulieferer sind wie Spitzenathleten, bei denen Hundertstelsekunden über Sieg oder Niederlage entscheiden“, kommentiert Jan Dannenberg, Director der globalen Automotive Practice von Oliver Wyman.

„Nur Unternehmen, die bei nahezu allen Erfolgskriterien führend sind, können erfolgreich sein.“ Der Abstand zwischen Top- und Low-Performern nimmt zu. Die Zahlen zeigen, dass die Branche in den vergangenen Jahren in der Lage war, die Herausforderungen mit Erfolg zu meistern.

Im Durchschnitt sind die europäischen Automobilzulieferer zwischen 2001 und 2005 um 2,9 Prozent pro Jahr gewachsen und haben zudem vielfach ihre Rendite steigern können. Während der EBITDA in diesem Zeitraum konstant bei
etwa elf Prozent lag, stiegen die durchschnittliche Gesamtkapitalrendite von 2,4 auf 4,7 Prozent und der operative Gewinn
von 2,2 auf 4,4 Prozent.

Auch der Rohertrag je Mitarbeiter ist in den letzten fünf Jahren gestiegen. Die europäischen Zulieferer haben sich zu Hochleistungsunternehmen im globalen Wettbewerb entwickelt. Sie trotzen einem jährlichen Preisdruck von durchschnittlich 2,4 Prozent, verbessern ihre Produktivität um drei Prozent und investieren über fünf Prozent
vom Umsatz in Forschung und Entwicklung.

„Aus Bankensicht hat sich die Automobilzulieferbranche in den letzten fünf Jahren insgesamt sehr erfreulich entwickelt“, erklärt Guido Schacht von der HypoVereinsbank. „Nur die Schlusslichter beunruhigen uns. Bei ihnen hat sich die Situation
weiter zugespitzt.“

Denn nicht alle Zulieferer entwickeln sich gleich. Gerade die oberen 25 Prozent der Branche, also die Top-Performer, konnten bei allen Leistungskennzahlen (Rohertrag, Gesamtkapitalrendite, operativer Gewinn und Umsatz) weiter zulegen.

Die Zulieferer im unteren Viertel der Wirtschaftlichkeitsbetrachtung erreichten 2001 noch eine durchschnittliche
Gesamtkapitalrendite von 2,9 Prozent. 2005 war sie auf minus ein Prozent gesunken und der operative Gewinn lag bei minus 0,5 Prozent.

Dabei sind die Leistungsunterschiede im Wettbewerb denkbar gering. Besonders erfolgreich sind Unternehmen, die die Nachhaltigkeit ihrer Geschäftsaktivitäten in den Vordergrund stellen. Unabhängig von der Eigentümerstruktur sind Zulieferer dann erfolgreich, wenn sie ihre wirtschaftlichen Ziele langfristig verfolgen.

Gerade hier haben die im Besitz von Finanzinvestoren befindlichen Automobilzulieferer ihre Konkurrenz in den vergangenen Jahren hinter sich gelassen. Firmen, die sich in der Hand von Private-Equity-Gesellschaften befinden, erreichten mit durchschnittlich 6,8 Prozent eine deutlich höhere Gesamtkapitalrendite als Familienunternehmen, die im Schnitt bei 3,4 Prozent lagen.

Der Grund für diese Unterschiede liegt in der Einstellung: Die Mehrheit der Familienunternehmen (59 Prozent) ist bereit, auch langfristig eine unterdurchschnittliche Leistung zu akzeptieren, solange die Eigenständigkeit gesichert ist.

Nachhaltigkeit wird hier im Sinne von Unabhängigkeit verstanden. Im Gegensatz dazu sind unter den von Private-Equity-
Fonds gehaltenen Unternehmen nur 14 Prozent bereit, zugunsten anderer Ziele auch langfristig auf den wirtschaftlichen Erfolg zu verzichten.

Die Besten liegen in allen Disziplinen vorn. Die Untersuchung zeigt, dass im Wesentlichen für alle Automobilzulieferer die gleichen Erfolgsfaktoren gelten, unabhängig von Unternehmensgröße, Geschäftsmodell oder Tätigkeitsfeld.

Ganz vorne unter den Erfolgsfaktoren liegen Kundenorientierung, unternehmerisches Handeln, Kosten, Mitarbeiterqualifikation und Innovationskompetenz. Die Studie zeigt, dass die Besten der Branche in allen diesen Kriterien sehr deutlich über dem Durchschnitt liegen.

Nach Einschätzung der befragten Geschäftsführer und Vorstände ist die eigene Kostenposition nicht mehr mit den Forderungen der Kunden vereinbar. Und in Zukunft wird der Wettbewerb noch härter werden, meint die Mehrheit der Zulieferer.

Vor allem die Top-Performer geben an, dass vorrangig der Kostenfaktor entscheidend sein wird. Diesbezüglich ordnen sie
ihre eigene Position als gut ein, wissen jedoch, dass dies zukünftig nicht ausreichen wird.

Die weniger erfolgreichen Automobilzulieferer beurteilen nicht nur ihre eigene Kostenposition als etwas schlechter, sie erwarten auch, dass die Steigerung des Kostendrucks künftig geringer ausfällt.

„Wer jetzt schlank und leistungsfähig ist, geht davon aus, dass er morgen noch einmal deutlich besser sein muss“, so Jan Dannenberg von Oliver Wyman.

„Doch schon heute übersteigen die Forderungen der Automobilhersteller nach Preissenkungen mehrheitlich die Kostensenkungsmöglichkeiten der Zulieferer.“ In der Vergangenheit konnten die Zulieferer ihre Produktivität jährlich durch eine Vielzahl von Maßnahmen um drei Prozent steigern.

Die Daten der Studie zeigen, dass Volumenanbieter am erfolgreichsten sind, wenn sie Werke in Niedriglohnländern
besitzen. Gleiches gilt für Modul- und Systemanbieter. Befragt nach ihrer Fähigkeit, Billigmodule für aufstrebende Länder zu entwickeln, müssen viele europäische Zulieferer heute passen.

Bei echten Low-Cost-Produkten, so die Einschätzung der Zulieferer, muss bereits beim Entwicklungskonzept der Zielpreis im Vordergrund stehen. Außerdem müssen für solche Produkte entsprechende Fertigungskapazitäten neu aufgebaut werden.

Die Produktspezifikation muss dabei den relevanten Anforderungen des jeweiligen Marktes angepasst werden. Stärkster Handlungsbedarf bei der Globalisierung Ihre größte Lücke bei der Erfüllung zukünftiger Erfolgsfaktoren sehen die Zulieferer in der globalen Abdeckung.

Schon heute beurteilen die Top-Unternehmen ihre eigene Position hier nur als befriedigend bis gut, Low-Performer sogar als schlecht. Gerade Mittelständler scheuen die hohen Risiken einer Internationalisierung und befürchten eine Überbeanspruchung der vorhandenen Managementkapazitäten.

Viele Zulieferunternehmen konzentrieren sich daher auf Europa und wollen erst reagieren, wenn Druck vonseiten der Automobilhersteller kommt. Auch in diesem Fall bevorzugen sie jedoch die Zusammenarbeit mit einem lokalen Partner.

Die großen Automobilzulieferer verfügen in puncto Globalisierung eindeutig über einen Wettbewerbsvorteil. Sie betreiben
bereits Werke in Indien, Osteuropa oder China, um vor Ort zu entwickeln, zu fertigen und zu verkaufen. „Bei der Finanzierung und Unterstützung ihrer Auslandsengagements greifen mittelständische Unternehmen heute stark auf ihre Bank zurück“, berichtet HypoVereinsbank-Risikomanager Schacht.

Die Studie sieht einen signifikanten Zusammenhang zwischen Kundenorientierung und Erfolg eines Zulieferers. Dabei sind
sowohl die Orientierung am Automobilhersteller als auch die am Autofahrer relevant. Die befragten Top-Manager der Zulieferindustrie bewerten die Orientierung am Automobilhersteller als sehr erfolgreich.

Bei der Orientierung am Endkunden besteht jedoch noch Handlungsbedarf. Derzeit betreiben nur etwa 50 Prozent der Zulieferunternehmen Marktforschung, und die wenigsten Entwicklungsabteilungen richten ihre Produktstrategien
an den Endkundenwünschen aus.

Trotz der generell positiven Entwicklung der Leistungsfähigkeit der Automobilzulieferindustrie in den letzten Jahren und des klaren Verständnisses der entscheidenden Erfolgsfaktoren hat die Mehrzahl der Automobilzulieferer das Gefühl, am Limit zu operieren.

Einer der befragten Manager nannte es einen „Ritt auf der Rasierklinge“. Der hohe Preisdruck vonseiten der Automobilhersteller, Vorfinanzierungszwänge, Gewährleistungsrisiken, neue Wettbewerber aus Niedriglohnländern, Materialkostensteigerungen und die zunehmende Produktkomplexität führen dazu, dass die wenigsten Zulieferer noch Reserven für etwaige Fehltritte sehen.

Ergebnisse wie diese sind nach Ansicht des Verbands der Deutschen Automobilindustrie für die gesamte Branche wegweisend. „Die Studie gibt allen Unternehmern wichtige Handlungsempfehlungen, um deren Erfolg langfristig zu sichern“, erklärt Achim Rauber, Geschäftsführer des Verbands der Deutschen Automobilindustrie.

Handlungsempfehlungen für die Automobilzulieferindustrie

1. Verbesserung der Kostenposition.

Top-Performer der Zulieferindustrie gehen alle Wege zur permanenten Kostenoptimierung. In der Zulieferindustrie gibt es beim Kostensparen keine „heiligen Kühe“.

2. Steigerung der Innovations- und Technologieführerschaft.

Die europäischen Zulieferer müssen ihre führende Technologieposition gemeinsam mit den Automobilherstellern ausbauen, um sowohl Funktionen als auch Kosten zu verbessern.

3. Adressieren des Low-Cost-Marktes.

In dem am stärksten wachsenden Automobilmarkt, dem für Low-Cost-Fahrzeuge, müssen europäische Zulieferer eigene
Lösungen entwickeln: Low-Cost-Module, Entwicklungskompetenzen und Werke in Niedriglohnländern sowie lokale Vertriebsressourcen. Dabei ist die Anpassung der Produktfunktionalität an Marktgegebenheiten im Low-Cost-Land bei unverändert hoher Qualität anzustreben.

4. Stärkung der Endkundenorientierung.

Parallel zu den Automobilherstellern müssen sich auch die Zulieferer stärker direkt mit dem Autofahrer als Endkunden beschäftigen.

5. Aufbau von Netzwerken.

Lieferanten sollten nach geeigneten Netzwerkpartnern suchen und die eigene Organisation netzwerkfähig machen.

6. Globalisierung als Chance nutzen.

Jeder Zulieferer muss eine eigene Strategie zur Globalisierung erarbeiten und diese konsequent umsetzen – alleine oder mit Partnern.

Zur Studie „Hochleistungsbranche Automobilzulieferer“. Die UniCredit Tochter HypoVereinsbank und die Strategieberatung Oliver Wyman haben in der Studie „Hochleistungsbranche Automobilzulieferer“ über 50 unternehmerische Erfolgsfaktoren hinsichtlich ihrer Bedeutung und Wirkung auf die Automobilzulieferindustrie untersucht.

Mehr als 40 Geschäftsführer und Vorstände der Zulieferindustrie wurden interviewt, um ihre Einschätzung der zukünftigen Erfolgskriterien ihrer Branche wiederzugeben. Eine parallele Sekundäranalyse von 96 überwiegend nicht am Kapitalmarkt notierten Zulieferern verband die genannten Erfolgsfaktoren mit der wirtschaftlichen Performance der Unternehmen.

Pressemitteilung der HVB Bank

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