Katastrophenhilfe ist „nur die zweitbeste Lösung“

Verheerendes Hochwasser in Deutschland und zerstörerische Tornados in den Vereinigten Staaten – die Meldungen über Naturkatastrophen scheinen zur Zeit nicht abzureißen. Amer Ahmed, Chef der Allianz Re, plädiert für Präventionsmaßnahmen.

 

Allianz Reinsurance
München, 12.06.2013

Amer Ahmed: „Wir müssen uns viel mehr damit beschäftigen, wo und wie Risiken entstehen, vor allem in den Entwicklungsländern.“

Herr Ahmed, die Überflutungen in Teilen Deutschlands und der Tornado in den USA vor wenigen Wochen haben uns die Gefahren, die von Naturkatastrophen ausgehen, wieder vor Augen geführt. Welchen Umfang hat der Schaden, und ist die Allianz Re betroffen?

 

Amer Ahmed: Der Schaden in Oklahoma war groß, wie man auch in den Fernsehberichten sehen konnte. Erste Schätzungen gehen von mindestens 2 bis 3 Mrd. Dollar an versicherten Schäden aus. Für die Allianz selbst rechnen wir eher mit begrenzten Auswirkungen. Das liegt am Geschäftsvolumen, das wir in dieser Region haben. Die Flut in Deutschland und den Nachbarländern ist ein schweres Ereignis, das auch immer noch andauert. Es ist noch zu früh, um die möglichen Schäden insgesamt und für die Allianz einzuschätzen.

 

 

Im Jahr 2012 wurden die Rückversicherer mit relativ geringen Schäden verwöhnt. Ist der Tornado ein Zeichen dafür, dass die Bilanz in diesem Jahr wieder schlechter ausfallen könnte?

 

Es gibt jedes Jahr eine ganze Menge Tornados in dieser Region in den USA. An dem Tag, als Moore getroffen wurde, waren, soweit ich gehört habe, noch weitere 16 Tornados unterwegs. Entscheidend ist immer, wo ein Tornado auftritt. Wie in vielen anderen Situationen auch kann man von einem solchen Ereignis nicht Rückschlüsse auf eine ganze Saison ziehen.

 

 

Wir stehen am Beginn der Hurrikan-Saison in den USA. Wie sind Ihre Prognosen?

 

Die Schätzungen der Spezialisten auf diesem Gebiet sagen uns, dass wir mit einer Saison rechnen müssen, die überdurchschnittlich ausfallen wird. Aber solche Aussagen sind immer mit Vorsicht zu genießen. Die Experten können über Modelle, die viele Parameter wie etwa die Wassertemperatur im Atlantik mit einbeziehen, ganz gut vorhersagen, wie viele Hurrikans innerhalb einer Saison über dem Nordatlantik entstehen. Diese Schätzungen haben auch eine recht gute Treffsicherheit. Doch die entscheidende Frage für Versicherer ist immer, wie viele dieser Wirbelstürme auf das Festland treffen oder auch nicht, und das ist wesentlich schwieriger vorherzusagen.

„Statt die Scherben hinterher aufzulesen, sollte mehr Aufmerksamkeit auf vorbeugende Maßnahmen verwandt werden. Warnungen gab es ja zuletzt genug, etwa die verheerende Flut in Pakistan oder das Erdbeben in Haiti.“

(Foto von Hochwasser in Gera am 7. Juni 2013)

Die Finanz- und Staatsschuldenkrise hat das Thema Klimawandel von der Bildfläche verdrängt. Müssen wir uns keine Sorgen mehr machen?

Unsere Auffassung ist, dass der Klimawandel über einen längeren Zeitraum Auswirkungen haben wird. Viel mehr Sorgen macht mir allerdings noch, dass im Zuge der Diskussion über die Staatsschuldenkrise dringend nötige kurzfristige Schutzmaßnahmen gegen Naturkatastrophen nicht angepackt werden. Wir müssen uns viel mehr damit beschäftigen, wo und wie Risiken entstehen, vor allem in den Entwicklungsländern. In meinen Augen ist die Katastrophenhilfe im Nachhinein nur die zweitbeste Lösung.

 

Wer müsste da Ihrer Meinung nach tätig werden?

Ich glaube, das ist Sache der Regierungen und natürlich der supranationalen Organisationen. Statt die Scherben hinterher aufzulesen, sollte mehr Aufmerksamkeit auf vorbeugende Maßnahmen verwandt werden, etwa gegen Überflutungen oder zur Minimierung der Auswirkungen von Erdbeben und für eine schnellere Reaktion unmittelbar nach einem Ereignis, sodass die Auswirkungen abgemildert werden können. Warnungen gab es ja zuletzt genug, etwa die verheerende Flut in Pakistan oder das Erdbeben in Haiti.

 

Die Schäden, die Naturkatastrophen anrichten, werden auch deshalb immer höher, weil die Wirtschaft durch die Globalisierung immer intensiver verflochten ist. Wie können Sie als Versicherer da überhaupt noch den Überblick behalten?

Das ist in der Tat eine der größten Herausforderungen für uns. Die Komplexität bei Unternehmen steigt, und Lieferantenbeziehungen ändern sich zudem ständig. Die Lösung kann nur darin liegen, dass wir mit unseren Kunden noch viel enger zusammenarbeiten, um ihr Geschäft besser zu verstehen. Nur so können wir Risiken abschätzen und auch sehen, wie diese sich über die Zeit entwickeln. Das ist unglaublich vielschichtig, und ich sehe es als eine große Aufgabe und gleichzeitig auch als Chance für uns, aber auch für unsere Kunden.

 

Innerhalb der Allianz sind Sie für die Risikosteuerung verantwortlich und haben gerade wieder Sturm- und Erdbebenrisiken an den Kapitalmarkt transferiert. Wie wichtig sind solche Cat Bonds inzwischen für Sie?

Cat Bonds, mit denen wir Risiken an den Kapitalmarkt weiterreichen können, sind ein sehr wichtiger Bestandteil unserer gesamten Palette an Verfahren zur Risikoabsicherung. Wir als Allianz Re kaufen Absicherung für Risiken aus Naturkatastrophen im großen Stil, und daher ist es für uns wichtig, ein möglichst breites Sortiment an Möglichkeiten zu haben. Mit Cat Bonds an den Markt gegangen sind wir erstmals 2007 und seitdem regelmäßig.

 

Welche Quellen zur Risikoabsicherung nutzen Sie noch?

Der größte Part entfällt weiterhin auf die konventionelle Absicherung über Rückversicherer, bei denen wir Schutz kaufen. Alternative Varianten machen bei uns etwa 20% aus. Darunter fallen Cat Bonds ebenso wie Katastrophen-Swaps sowie andere strukturierte und nichttraditionelle Instrumente.

„Cat Bonds, mit denen wir Risiken an den Kapitalmarkt weiterreichen können, sind ein sehr wichtiger Bestandteil unserer gesamten Palette an Verfahren zur Risikoabsicherung. […] Etwa ein Zehntel unserer Gesamtabsicherung gegen Naturgefahren besteht aus Cat Bonds. Bezogen auf unseren Schutz gegen Naturgefahrenrisiken in den USA ist der Anteil von Cat Bonds deutlich höher und macht etwa ein Drittel aus.“

(Foto von Verwüstung durch Hurrikan „Sandy“ am 2. November 2012)

Den Markt für Cat Bonds gibt es noch nicht wirklich lange. Wie ist er entstanden, und welche Perspektiven sehen Sie für die Zukunft?

Auslöser der Entwicklung des Marktes ab Mitte der Neunziger war die Nachfrage von Versicherungsunternehmen nach alternativer Rückversicherungskapazität infolge des Wirbelsturms „Andrew“ und des Erdbebens in Northridge. Allerdings hat es eine Weile gedauert, bis sich diese Bonds etabliert hatten, auch weil sich auf Seiten der Anleger das Verständnis für diese Art von Risiken erst entwickeln musste. Inzwischen sind wir aber an einem Punkt angelangt, wo wir spezialisierte Fonds am Markt haben, die uns als wichtige Investoren wohl auch erhalten bleiben. Für die Zukunft des Marktes bin ich sehr optimistisch, vor allem weil die Nachfrage da ist. Im Moment ist der Appetit der Investoren groß, was sicher auch mit dem Niedrigzins zu tun hat. Daher konnten wir bei unserer letzten Anleihe im Mai auch deutlich mehr platzieren, als wir eigentlich geplant hatten.

 

Hat sich die aktuell hohe Nachfrage auch im Pricing bemerkbar gemacht?

Ja, der ursprünglich erwartete Preis lag bei über 500 Basispunkten Risikoprämie zuzüglich der variablen Verzinsung der als Sicherheit verwendeten Anlagen. Heraus kamen wir bei einer Laufzeit von drei Jahren und einem von 150 auf 175 Mill. Dollar aufgestockten Volumen mit einer Prämie von 4,25%. Ein Preisvergleich mit anderen Bonds, die wir zuvor emittiert haben, ist schwierig, da es sich ja immer um ganz spezifische Spitzenrisiken handelt, die wir weitergeben. Aber natürlich gilt auch auf dem Cat-Bond-Markt der Zusammenhang zwischen Angebot und Nachfrage.

 

Demnach müssten Sie bereits den nächsten Bond vorbereiten?

Dazu kann ich Ihnen nichts sagen. Aber generell sind Cat Bonds für uns eher ein strategisches Instrument. Und grundsätzlich geht es auch nicht so schnell, einen neuen Bond zu platzieren. Die Modellierung und Strukturierung ist ein sehr komplexer Vorgang. Von der Entscheidung bis zum Transfer der Risiken vergehen mehrere Monate. Dieses Mal hatten wir Glück mit dem Timing. Als wir an den Markt kamen, waren die Konditionen für uns attraktiv. So haben wir denn auch mehr platziert als ursprünglich geplant.

 

Haben Sie ein Zielvolumen für Cat Bonds aus Ihrem Hause?

Nein, nicht wirklich. Wie ich schon sagte, etwa 20% unserer Rückversicherungskapazität decken wir über alternative Instrumente ab. Etwa ein Zehntel unserer Gesamtabsicherung gegen Naturgefahren besteht aus Cat Bonds. Bezogen auf unseren Schutz gegen Naturgefahrenrisiken in den USA ist der Anteil von Cat Bonds deutlich höher und macht etwa ein Drittel aus.

 

Auf dem Cat-Bond-Markt dominieren US-Sturmrisiken. Sehen Sie, dass sich der Markt auch mit Blick auf andere Risiken entwickelt?

Ja. Wir als Allianz Re haben etwa schon Bonds mit Sturmrisiken in Europa herausgegeben. 2007 haben wir mit einem unserer ersten Cat Bonds die Flutrisiken in Großbritannien abgesichert. Die Möglichkeit gibt es also, und das Interesse der Investoren ist da. Auch die wollen sich diversifizieren. Auf dem Markt haben wir auch schon australische Risiken und ein Portfolio von Haftpflichtrisiken gesehen. Es tut sich also etwas in dieser Hinsicht.

 

Waren von dem Tornado in Oklahoma Katastrophenanleihen betroffen? Gab es Ausfälle?

Wir haben keinen Cat Bond, der dortige Risiken beinhaltet. Meines Wissens nach ist es auch im Markt bisher zu keinen Ausfällen gekommen. Bisher hatten wir als Allianz Re, toi, toi, toi, noch überhaupt keinen Ausfall bei unseren Cat Bonds. Das liegt aber vor allem daran, dass wir über dieses Instrument Extremrisiken absichern. Und solche Mega-Events sind eben selten.

Dieses Interview erschien zuerst am 12. Juni n der „Börsen-Zeitung“, Nachdruck mit Genehmigung.

  Vorbehalt bei Zukunftsaussagen

Diese Aussagen stehen, wie immer, unter unserem Vorbehalt bei Zukunftsaussagen:

 

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Christiane Merkel
Allianz Reinsurance
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  Mehr Informationen Börsen-Zeitung – Zeitung für die Finanzmärkte Amer Ahmed über Cat Bonds: „Alle Optionen im Risikomanagement ausschöpfen“ Hand in Hand gegen die Flut

Pressemitteilung Allianz ( Allianz Reinsurance
München, 12.06.2013 )

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