Jenseits von Gewinn

Die gleichermaßen von Mahatma Gandhi und kapitalistischen Prinzipien beeinflusste Bajaj Group ist eine Gesellschaft, deren Vision über Gewinnorientierung hinausgeht, erläutert Sanjiv Bajaj, der jüngste Sohn des berühmten Unternehmers Rahul Bajaj.

 

Allianz Group Asia Pacific
Singapur, 11.04.2013

Sanjiv Bajaj: “Gewinn ist nur das Mittel, nie aber das Finalziel. Das endgültige Ziel muss es sein, etwas besser zu machen, als andere.”

Warum ist die Bajaj Gruppe, die eigentlich als Hersteller von Motorrollern bekannt war, in die Finanzdienstleistungen eingestiegen?

Sanjiv Bajaj: Die interessante Antwort ist, dass das gar nicht der Fall war. Als der Staat gegen Ende der 90er Jahre den Versicherungssektor für den privaten Markt freigab, waren zahlreiche ausländische Versicherer interessiert. Da die Aufsicht ihren Anteil an einem indischen Unternehmen jedoch auf 26 % beschränkte, brauchten sie örtliche Partner. Baja wurde von zahlreichen ausländischen Gesellschaften angesprochen. Mein Vater führte die Verhandlungen mit ihnen, beharrte jedoch darauf, dass wir uns auf das konzentrieren sollten, was wir bereits erfolgreich tun und unsere bestehenden Geschäftsbereiche zu Weltklasseunternehmen ausbauen: Motorräder, Auto-Rikschas, Elektrogeräte und Stahl. Das Versicherungsgeschäft schien für uns nicht unbedingt erstrebenswert.

 

 

Was hat Sie dann aber dazu bewogen, Ihre Meinung zu ändern?

Wir stellten fest, dass die Versicherung eine interessante Art sein kann, ein Finanzdienstleistungsunternehmen aufzubauen. Wir hatten eine kleine Finanzgesellschaft, die Darlehen für unsere Motorräder ausgab. Das war unsere begrenzte Präsenz auf dem Finanzdienstleistungsmarkt. Was letztlich die Bajaj-Allianz-Kooperation auslöste, war das ungeheuere Gefühl der Sicherheit, das wir hatten, als die Allianz uns ansprach.

 

Wir setzen darauf, unser Geschäft mit einem Höchstmaß an Integrität und Transparenz zu betreiben. Außerdem möchten wir Geschäftsbereiche aufbauen, die auf langfristiger Nachhaltigkeit und Gewinn basieren. Die Allianz war sehr daran interessiert, einen Partner in Indien zu finden, der dieselbe konservative langfristige Sichtweise wie sie selbst vertritt. Wir glauben, das war eine gute Gelegenheit. Viel Überzeugungsarbeit war nötig, damit wir diese Partnerschaft schließen konnten, aber ich bin froh, dass wir es gemacht haben. Ehrlich gesagt glaube ich, hat wohl keiner von uns damit gerechnet, dass das Geschäft sich so erfolgreich entwickeln würde, wie es sich heute darstellt.

 

 

Die philosophische Grundlage der Bajaj Group ist ziemlich einzigartig. Ich beziehe mich dabei auf Jamnalal, Ihren Ur-Großvater und seine Überzeugung, dass geerbter Reichtum ein kostbares Vermögen ist, das man zugunsten der Menschen einsetzen muss, sowie auf seine enge Verbindung zu Mahatma Gandhi.

Das ist vollkommen richtig. Die Werte, die sich durch unsere Geschäftsbereiche ziehen, beruhen auf denen, die Gandhi uns vermittelt hat. Natürlich will man, wenn das Geschäft sich entwickelt, alles daran setzen, um es noch weiter auszubauen. Aber eines steht für uns fest, wir werden nie Kompromisse bei ethischen Fragen oder der Transparenz eingehen.

 

 

Was das betrifft, ist Indien 2011 um 11 Plätze im nationalen Korruptionsindex von Transparency International zurückgefallen. Nimmt Korruption in Indien zu?

Zuvor gab es Korruption, wenn der Staat große Verträge vergab. In einigen Gebieten gab es eine ungute Achse zwischen Unternehmen und Staat. Aber wenn man erst einmal seine Lizenz hatte, konnte man sein Geschäft nach eigenen Fähigkeiten ausbauen. In den letzten 10 Jahren wurde es wesentlich ungesünder dadurch, dass einige Unternehmen proaktiv bestimmte Politiker für spezielle Gefälligkeiten bezahlt haben. Das steigerte sich dramatisch z.B.während der Vorbereitung auf die Commonwealth Spiele. Das wirkt sich auf die wirtschaftliche Stimmung in Indien aus und trug zur Konjunktureintrübung bei. Ehrlich gesagt, würde es mir nichts ausmachen, wenn die Wirtschaft sich für ein paar Jahre verlangsamen würde, um das auszumerzen. Ich glaube, Indien hat so eine vielversprechende Zukunft, dass man es sich nicht leisten kann, dass ein paar Korrupte – Geschäftsleute, Politiker oder Bürokraten – das Land erpressen. Eine ehrliche Person sollte in der Lage sein, in diesem Land zu arbeiten. Aber es wird zunehmend schwierig, das zu tun.

Die Möglichkeiten für Indien sind so gut wie grenzenlos.

Sanjiv Bajaj: “Unsere Verantwortung bezieht sich nicht nur auf die Aktionäre, sondern auch auf Kunden, Mitarbeiter, Gesellschaft und Umwelt.“

Geht es der indischen Wirtschaft wirklich so schlecht, wie momentan berichtet wird?

Unser Wachstum betrug 9 Prozent, jetzt sind es nur noch 5 Prozent. Optimisten meinen, dass man überall auf der Welt heutzutage extrem froh über 5 Prozent wäre, wobei sie aber unsere Inflationsrate von 8% außer Acht lassen. Wenn Sie sich unser Pro-Kopf-Einkommen ansehen, so liegt das bei unter 2.000 US-Dollar pro Jahr. Wenn unser Wachstum 9 Prozent betragen könnte, wir aber nur 5 Prozent verzeichnen, verpassen wir die Chance, 15 bis 16 Millionen Leute in den nächsten fünf Jahren aus der Armut zu retten.

 

Wir verfügen über eine große, junge und zunehmend gebildete Bevölkerung, die eine starke Nachfrage erzeugen wird und auch die Möglichkeit hat, diese zu befriedigen. Unsere Wirtschaft könnte auf Hochtouren laufen, sowohl was das Schaffen von Stellen als auch den Konsum angeht, der weitestgehend auf unseren eigenen internen Bedürfnissen beruht. Diese enorme nationale Stärke ist offensichtlich, wenn man auf die Jahre 2008 – 2009 zurückblickt, als der Westen einen wirtschaftlichen Rückgang erlebte. Unser Bruttoinlandsprodukt ist gefallen, jedoch nur auf 8,5 Prozent. Dass wir jetzt bei 5 Prozent herumdümpeln, ist frustrierend, da wir allein dafür verantwortlich sind, dass wir uns auf diese niedrige Rate heruntergewirtschaftet haben.

 

 

Ihr Ur-Großvater war ein berühmter Philanthrop und ein wichtiges Mitglied des engeren Freundeskreises von Gandhi. Ihr Vater Rahu. ist ein legendärer Unternehmer, der Baja zu einem der Weltführer im Kraftfahrzeugbereich ausbaute. Wie fühlte es sich an, im Schatten von Riesen aufzuwachsen?

Als Kinder hatten wir nur fünf Minuten Schulweg. Die Eltern meiner Klassenkameraden waren im mittleren Management bei Bajaj beschäftigt oder Fahrer oder Angestellte in verschiedenen Unternehmen. Es war ein bescheidenes Umfeld, so dass wir einige Zeit brauchten um uns bewusst zu werden, was es heißt, ein Bajaj zu sein. Das ist auf meine Mutter zurückzuführen. Bevor sie heiratete, war sie Lehrerin und entstammte der Mittelklasse, aber ihre Familie war sehr kultiviert und gebildet. Sie bestand auf einem einfachen Umfeld, das uns half, immer einen klaren Kopf zu behalten. Und das hilft uns noch heute.

 

 

Welche Hauptwerte Ihres Ur-Großvaters spürt man noch in Ihrem Unternehmen?

Ein hohes Maß an Ethik. Transparenz. Schaffung langfristiger Werte. Kundenservice und Mitarbeiterorientierung. In den Schriften meines Ur-Großvaters ist von Mahatma Gandhi die Rede, der ihn auffordert, Unternehmen für das Gemeinwohl zu gründen. Ich erinnere mich, dass wir einmal einen berühmten Sprecher in unseren Unternehmen hatten und ihn fragten: „Was ist die Rolle eines rentablen Geschäfts?“ Er erklärte, dass Unternehmen den Menschen dienen sollten. Die Menschen können entweder die Kunden oder die Mitarbeiter sein. Aber sie stehen im Mittelpunkt. Gewinn ist nur das Mittel, nie aber das Finalziel. Das endgültige Ziel muss es sein, etwas besser zu machen, als andere. Nur dann werden sich die Produkte verkaufen und die besten Mitarbeiter im Unternehmen bleiben, um an einer besseren Zukunft zu arbeiten. Aber um das leisten zu können, muss man rentabel sein.

 

 

Als Sie die Punkte an Ihren Fingern abzählten, haben Sie – glaube ich – den philanthropischen Aspekt vergessen. Die Bajaj Familie verfügt über zahlreiche wohltätige Stiftungen.

Ja, aber wir verhalten uns ruhig an dieser Front, da sie nicht zu unserem Geschäft gehören. Wir wissen, dass wir eine soziale Verantwortung haben, aber wir spenden unser Geld nicht für gute Zwecke. Wir bemühen uns, korrekt zu handelt. Daher haben wir ein spezielles Team, das sich um unsere sozialen Aktivitäten kümmert, ob es nun um Bildung, Gesundheitspflege oder die Entwicklung von Unabhängigkeit und Nachhaltigkeit in über hundert Dörfern geht. Dazu gehört auch, Frauen zu vermitteln, wie sie kleine Jobs übernehmen können, damit sie genug Geld verdienen, um ihren Haushalt zu führen oderzu gewährleisten, dass ihre Familien Zugang zu grundlegenden Dingen wie Bildung und Gesundheit haben. Es gibt viele Sachen, an denen wir uns beteiligen, aber wenn die Hälfte der Bevölkerung leider mit weniger als 1 Dollar pro Tag auskommen muss, ist das, was wir tun, in keinem Fall auch nur annähernd ausreichend.

 

 

Viele westliche Unternehmen, an deren Spitze ein CEO von der Gordon-Gecko-Schule steht, würden sagen, dass die richtige soziale Verantwortung nur PR ist. Wie würden Sie darauf reagieren?

Als ich Betriebswirtschaft an der Harvard Business School studierte, wurden wir von einigen gedrillt zu behaupten, dass die Rolle eines Unternehmens nur darin besteht, Geld zu verdienen. Sie verdienen das Geld und schütten es Ihren Aktionären aus. Die tun damit, was sie für richtig halten. Sozialarbeit ist nicht Aufgabe von Unternehmen.

 

Ich glaube, heute ist es offensichtlicher, dass Stakeholder von einem Unternehmen, das als erfolgreich wahrgenommen wird, erwarten, dass es sich verantwortlich verhält. Die Verantwortung bezieht sich aber nicht nur auf die Aktionäre, sondern auch auf Kunden, Mitarbeiter, Gesellschaft und Umwelt. Es geht dabei nicht bloß um Quartals- oder Jahresgewinne, sondern um die  Auswirkung auf die entfernte Zukunft. Heute muss man sich einen größeren Ausschnitt der Gesellschaft anschauen, aber wo man die Grenze zieht, muss jedes Unternehmen selbst entscheiden.

 

 

Sie sitzen noch immer im Vorstand von Bajaj Auto. Können wir uns also darauf freuen, dass die Bajaj Group umweltfreundliche dreirädrige Fahrzeuge herausbringen wird?

Das haben wir bereits. Wir waren die Ersten, die vor fast 10 Jahren dreirädrige Rikschas auf den Markt brachten, die mit alternativen Kraftstoffen liefen. Am Taj Mahal können ältere Leute und Behinderte beispielsweise Rikschas mit Elektroantrieb nutzen. Wir verfügen über zahlreiche andere Technologien, an denen wir arbeiten, damit unsere Fahrzeuge verbrauchsärmer sind und die Umwelt weniger belasten. Die Motorräder, die wir heute herstellen, haben 100 Kubikzentimeter-Motoren und zählen zu den treibstoffsparendsten weltweit. Sie laufen normalerweise 85 km mit einem Liter Benzin. Ihre Benutzung ist günstiger, als die eines öffentlichen Verkehrsmittels.

 

 

Wo möchten Sie Bajaj Allianz, Bajaj FinServ und Indien in 10 Jahren sehen?

Die Chance für Indien ist fast unbeschränkt. Wenn ein Land wie China 25 Jahre lang jährlich 8 – 9 Prozent wachsen könnte, gibt es keinen Grund, warum das nicht auch in Indien passieren kann. Ungefähr 70 Prozent der Bevölkerung ist unter 30. Und wir sind eine sehr gebildete, tolerante und fähige Gesellschaft. Außerdem glaube ich, dass Indien, aufgrund seiner nicht-paktgebundenen, defensiven Außenpolitik eine verantwortungsvolle Rolle auf der internationalen Bühne spielen könnte.

 

Insbesondere bin ich der Auffassung, dass die Finanzdienstleistungen in Indien um das 2 – 2,5-Fache des Bruttoinlandsprodukts wachsen sollten, was bedeutet, dass wir in den nächsten 10 bis 20 Jahren Wachstumsraten von ca. 20 Prozent erleben werden. Das ist eine enorme Gelegenheit, und die Herausforderung für uns besteht darin, weiterhin rentable und verantwortbare Unternehmen aufzubauen, auf die wir stolz sein können.

  Vorbehalt bei Zukunftsaussagen

Diese Aussagen stehen, wie immer, unter unserem Vorbehalt bei Zukunftsaussagen:

 

Disclaimer   Kontakt für Presse

Gesa Walter
Allianz Group Asia Pacific
Tel. +65.6297-2724
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Pressemitteilung Allianz ( Allianz Group Asia Pacific
Singapur, 11.04.2013 )

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