Interview mit einem Crash-Test-Dummy

„Schwachköpfe am Steuer sind eine echte Herausforderung für die Verkehrssicherheit.“ Das sagt „Rusty“ Height, ausgerechnet der Mann, der seinen Lebensunterhalt damit bestreitet, dass er Autos kaputt fährt.

 

Allianz SE
München, 08.01.2014

Rusty Haight, Direktor des Collision Safety Institute. Wer weiß, dass die Heimat von Haights Institute in San Diego eine Hochburg der illegalen Straßenrennen in den USA ist, bekommt Verständnis für seine drastischen Forderungen.

„Rusty“ Haight ist so etwas wie ein lebendiger Crash Test Dummy. Er war seit 1994 in 976 Autounfälle verwickelt. Doch außer blauen Flecken und Rippenprellungen sind ihm ernsthafte Verletzungen soweit erspart geblieben.
 

Mit einem Fahrzeug in ein anderes zu fahren, gehört zu der Arbeit des ehemaligen Unfallermittlers des Polizeikommissariats San Diego ganz einfach dazu. Heute ist Rusty Haight Direktor des Collision Safety Institute in San Diego, einem unabhängigen Institut für Unfallforschung, Schulung und Unfallberatung. Haight rekonstruiert Kollisionen im Verkehr, um die Verkehrssicherheit zu verbessern. Dabei  überlässt er Zusammenstöße mit hoher Geschwindigkeit und starker zerstörerischer Wirkung lieber einem richtigen Crash Test Dummy. Aber für Ermittlungen bei etwas niedrigeren Geschwindigkeiten gibt es seiner Meinung nach keinen gleichwertigen Ersatz für den Fahrer aus Fleisch und Blut.
 

Bei schweren Unfällen muss der Dummy ran
 

„Wenn ich fahre, kann ich unterschiedliche Arten der Bewegung nachvollziehen, die verschiedene Parameter für Crashdaten liefern. Crash-Dummies sind gut, aber letztendlich nur steife Puppen. Sie können zwar ernsthafte Kollisionen überstehen, sind jedoch nicht immer repräsentativ. Sie zeigen nicht, wie sich der menschliche Körper bei Zusammenstößen bewegt, die weniger schwerwiegend sind, als jene, die wir mit den ‚Standard-Dummys‘ erleben“, so Haight.
 

Hier zeigt sich der große Unterschied zwischen ihm und einem echten Crash Test Dummy wie beispielsweise Rudi. Rudi war während seiner Laufbahn an 600 Autounfällen beteiligt. Abgesehen von einigen Beulen und Kratzern hat auch er das alles ziemlich unversehrt überstanden. Rudi ist einer von zehn Crash Test Dummys, die im Allianz Zentrum für Technik (AZT) in Ismaning  in Deutschland eingesetzt werden.

Ein Crash Test Dummy im Einsatz beim Allianz Zentrum für Technik.

Der Vorteil einer solchen Puppe, die speziell für Unfalltests konstruiert wurde, liegt auf der Hand. Sie übersteht auch einen Unfall bei hoher Geschwindigkeit oder unter besonderen Umständen. Welche das sein können, erklärt Sebastian Dürnberger, Ingenieur beim AZT: „Die Unfälle gehen auch nicht ganz spurlos an den Dummys vorbei. Im Rahmen der Fußball-WM haben wir einen Fußball-Fancrash bei einem Autocorso simuliert. Dabei erlitt die Dummy-Dame, welche bei offenem Schiebedach im Auto stand, heftige Beschädigungen im Bauchraum.“ Einen Menschen würde man derartig gefährlichen Experimenten niemals aussetzen. Bei einem Hunde-Dummy fiel ein anderer Test noch viel fataler aus: Bei einem Hochgeschwindigkeits-Test mit 50 Kilometern pro Stunde wurde der Hundedame in der Hundebox glatt der Kopf abgerissen.
 

Da Autos sich rasant weiterentwickeln, gibt es bei nahezu jedem Test einen Erkenntnisgewinn. „Das Design von Kraftfahrzeugen ändert sich ständig und die Menschen finden immer neue Wege, sich gegenseitig zu verstümmeln“, erläutert Lebend-Dummy Haight. Zahlreiche seiner Kollisionen kommen auch den von ihm geschulten Unfallermittlern zugute. Das AZT arbeitet hier wissenschaftlicher. „Wenn wir einen Sonderversuch durchführen, kann es passieren, dass die Ressourcen in der Testanlage für zwei Wochen gebunden sind, weil der Versuchsaufbau dafür ziemlich aufwendig ist“, erklärt Dürnberger vom AZT.
 

Dann gebe es wieder eine Serienstudie mit häufiger Wiederholung des gleichen Versuchsaufbaus auf einem Versuchsschlitten,– da können es dann schnell 30 Versuche pro Woche sein.

Das Allianz Zentrum für Technik in Ismaning bei München.

Ein Privileg, kein Recht
 

Für Rusty Haight bleibt eines der wichtigsten Anliegen die Erziehung der Fahrer. „Teil des Problems ist, dass die Menschen das Autofahren als ein Recht und nicht als ein Privileg ansehen. Wir brauchen einen Politiker, der den Mut hat, sich hinzustellen und zu erklären, dass die Leute immer egoistischer und ungeduldiger im Straßenverkehr werden. Nötig wäre jemand, der sagt, wer sich nicht vernünftig verhält, verliert das Privileg, ein Kraftfahrzeug zu lenken. Die menschliche Natur ist das wahre Problem.“
 

Verständnis für diese drastische Forderung bekommt, wer weiß, dass die Heimat von Haights Collision Safety Institute in San Diego eine Hochburg der illegalen Straßenrennen in den USA ist.
 

„Sicherheit im Straßenverkehr ist maßgeblich von dem Zusammenspiel zwischen regelkonformem Verhalten, sicheren Fahrzeugen und sicheren Straßen abhängig“, erklärt Dürnberger vom AZT. Aus diesem Grund beschränkt das AZT seine Sicherheitsforschung für den Straßenverkehr nicht auf Aufpralldemonstrationen, sondern hat sich den Leitlinien der EU Charta für Straßenverkehrssicherheit verpflichtet. Mit ihrem interdisziplinären Denken berücksichtigen die Forscher des AZT deshalb das Zusammenspiel von Mensch, Fahrzeug und Umwelt bei einem Unfall. Sie leisten mit wissenschaftlichen Veröffentlichungen, Vorträgen, Gremienarbeit und Herstellerkontakten ihren Beitrag zur Verbesserung der Sicherheit auf unseren Straßen.
 

Wann wird der Zeitpunkt kommen, an dem der menschliche Crash-Test-Dummy seine Aufgabe endgültig erfüllt hat? „Man braucht doch wohl mindestens 1.000 Unfälle, oder?“ Haight lacht. „Wenn schon, dann ist 1001 eine hübschere Zahl …“ Bei durchschnittlich zwei Tests, die wöchentlich im AZT durchgeführt werden, kann es also gut sein, dass Lebend-Dummy Rusty viel früher seine Füße an einem sonnigen Strand hochlegt und den Ruhestand genießt als Rudi.
 
 

„Interview mit einem Crash Test Dummy“ ist im Original erschienen auf Allianz Open Knowledge. Umgeschrieben und geändert von allianz.com.

Rusty im Einsatz auf Youtube

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Disclaimer   Kontakt für Presse

Christian Weishuber
Allianz Deutschland AG
Tel.: +49.89.3800-18169
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  Mehr Informationen Zum Original-Text auf Allianz Open Knowledge (nur auf Englisch)

Pressemitteilung Allianz ( Allianz SE
München, 08.01.2014 )

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