Auf Kollisionskurs mit der Natur

Auf deutschen Straßen ereignen sich 230.000 Wildunfälle pro Jahr. Moderne Technik im Auto und auf der Straße soll helfen, die Zahl der Unfälle zu reduzieren. Aber auch die Natur birgt eine Lösung: Grünbrücken verhindern, dass das Wild überhaupt erst auf die Straße kommt.

 

Allianz SE
München, 04.10.2013

Zehn Tage nach dem Unfall registrierte der GPS-Sender keine Bewegung mehr. Mit gebrochener Hüfte hatte er sich noch knapp zwei Wochen durch das Unterholz geschleppt. Schließlich erlag der Rothirsch seinen inneren Verletzungen. Unfallort und -zeit konnten anschließend zwar mit Hilfe des Senders ermittelt werden, doch von dem Unfallwagen keine Spur. Dabei musste auch am Fahrzeug erheblicher Schaden entstanden sein.
 

Jedes Jahr ereignen sich in Deutschland über 230.000 Wildunfälle im Straßenverkehr. Angeführt wird die Statistik durch Kollisionen mit Rehwild, die über 80 Prozent der Gesamtbilanz ausmachen. Die Summe der von Versicherern geleisteten Zahlungen lag nach den vom Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) veröffentlichten Zahlen in den vergangenen Jahren jeweils bei etwa 500 Millionen Euro.
 

Für die Autofahrer enden die meisten Kollisionen mit Tieren glimpflich und es bleibt bei Blechschäden. Dennoch warnt Helmut Körber, Leiter Kraftfahrzeug-Schaden bei der Allianz: „Für Autofahrer können gerade Unfälle mit größeren Wildtieren wie Hirschen kritisch werden. Durch eine vorausschauende Fahrweise lassen sich gefährliche Situationen aber oft bereits im Vorfeld vermeiden.“ Fahrer müssen beim Warnschild „Wildwechsel“ unbedingt vom Gas gehen und beide Straßenränder im Auge behalten, so der Experte. Doch gerade das tun Autofahrer nicht immer. Steht das Wild erst vor dem Auto auf der Straße, sollte der Fahrer abbremsen und dabei hupen. Vom Einsatz des Fernlichtes raten Experten ab. Damit es aber erst gar nicht so weit kommt, dass sich Wild und Fahrzeug auf der Straße begegnen, gibt es zahlreiche Untersuchungen. Seit Jahren suchen Forschungsinstitute, Versicherer und Behörden einen Weg, um die Massenkarambolage mit der Natur zu stoppen. Doch keine der Maßnahmen hat bisher zu einem deutlichen Rückgang der Unfallzahlen geführt.

„Steht das Wild erst vor dem Auto auf der Straße, sollte der Fahrer abbremsen und dabei hupen“, sagt Helmut Körber, Leiter Kraftfahrzeug-Schaden bei der Allianz.

Das Fahrzeug selbst entdeckt die Gefahr
 

„Weil sich bei allen Untersuchungen bisher nur auf Vorher-Nachher-Vergleiche konzentriert wurde“, erklärt Falko Brieger von der Forstlichen Versuchs- und Forschungsanstalt (FVA) in Baden-Württemberg. Der 34 Jahre alte Diplom-Forstwirt untersucht seit dreieinhalb Jahren die Effektivität von Wildunfallpräventionsmaßnahmen. Zum ersten Mal steht das Verhalten der Tiere im Fokus. „Ziel ist es, die Wirksamkeit von Wildwarnreflektoren anhand von Verhaltensänderungen größerer Säugetiere festzustellen“, erklärt Brieger. Mit Hilfe von GPS-Halsbändern, die den Tieren angelegt wurden, erforscht de Forstwirt den Tagesablauf des Rehwilds. „Mit dieser Methode haben wir herausgefunden, dass Rehe bis zu 40 Kilometer in wenigen Tagen wandern können. Außerdem lässt sich sehr genau bestimmen, wie häufig sie bestimmte Straßen überqueren“, sagt Brieger. Schließlich erhofft sich der FVA-Experte auch Daten, die erkennen lassen, ob und wie Rehe auf Reflektoren reagieren. Die Maßnahme wird am häufigsten an Deutschlands Straßenrändern eingesetzt und am meisten diskutiert. Reflektoren an den Leitpfosten werfen das Scheinwerferlicht der Autos in den Wald. Das Licht soll die Tiere sensibilisieren und von der Straße abhalten. 
 

Johann Gwehenberger vom Allianz Zentrum für Technik (AZT) ist skeptisch. Vor Jahren hat er eine Studie des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft zum Thema Prävention von Wildunfällen begleitet. Das Ergebnis war ernüchternd. Nicht einmal die Reflektoren konnten die so hochgesteckten Erwartungen erfüllen. Gwehenbergers Hoffnungen konzentrieren sich deshalb vorläufig auf die Technik in den Fahrzeugen. Derzeit erarbeitet das AZT Standards für vorausschauende Frontschutzsysteme. Sensoren und Kameras sollen in naher Zukunft Piloten motorisierter Fahrzeuge helfen Fußgängerunfälle zu vermeiden oder abzumildern. Wenn ein Fußgänger zum Beispiel unerwartet die Straße quert, leitet das System automatisch eine Notbremsung ein. Ähnlich könnten die Systeme auch auf Tiere reagieren. „Damit diese Technik auch lernt, Wildunfälle zu verhindern, geben wir unfallrelevante Informationen an die Automobilhersteller weiter“, sagt Gwehenberger.
 
Grünbrücken könnten eine Lösung sein
 
Weitere Fahrerassistenzsysteme in Probe seien zum Beispiel Nachtsichtsysteme, die dem Fahrer schon früh die Nähe eines Tieres anzeigen könnten. Trotzdem, ist sich  Gwehenberger sicher, wird Technik allein die Wildunfälle auch nicht ganz verhindern können. Deshalb plant der GDV ein neues Forschungsprojekt. Untersucht werden sollen infrastrukturelle Maßnahmen, die Tiere und Fahrer besser schützen. „Ich denke dabei nicht an durchgehende Zäune. Die würden das Wild massiv einschränken. Ich denke an Grünbrücken, wie sie zum Beispiel auf der Autobahn von Wien in Richtung Ungarn häufig vorkommen,“ sagt Gwehenberger.
 

Dass sich Naturwissenschaft und Technik gut ergänzen, zeigt ein Projekt des Road Ecology Center am John Muir Institut für Umweltforschung der University of California. Im Sommer 2002 wurde am Highway durch den Kootenay National Park in British Columbia ein kameragestütztes Warnsystem, Wildlife Protection System, installiert. Die im Abstand von zwei Kilometern aufgestellten Infrarotkameras entlang der Teststrecke zeichneten nicht nur das Verhalten der Tiere rund um die Uhr auf. Sobald sich ein Tier der Straße näherte, lösten sie auch ein Lichtsignal aus, das die Autofahrer vor der Gefahrenstelle warnte. Im Gegensatz zu Grünbrücken ließe sich dieses System schnell auf- und abbauen. Jahreszeitliche Brennpunkte könnten besser abgedeckt werden, ohne die Bewegungsfreiheit der Tiere einzuschränken.
 

Doch die wichtigste Erkenntnis des Tests war vielleicht folgender: Die Autofahrer reagierten viel vorsichtiger als sonst, weil sie wussten, dass das Lichtsignal nur dann warnt, wenn sich auch wirklich Tiere am Straßenrand befinden.
 

 

„Auf Kollisionskurs mit der Natur“ ist zuerst auf Open Knowledge erschienen. Gekürzt und ergänzt von allianz.com.

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  Mehr Informationen Safetyfirst.tv: Gefährliches Herbstlaub Auf Kollisionskurs mit der Natur (englischer Originaltext auf Open Knowledge)

Pressemitteilung Allianz ( Allianz SE
München, 04.10.2013 )

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